Er war eine Ikone des amerikanischen Films und Theaters: Regisseur Mike Nichols ist am Mittwoch im Alter von 83 Jahren gestorben. Filme wie "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" mit Elizabeth Taylor und Richard Burton oder "Die Reifeprüfung" mit Dustin Hoffman machten ihn berühmt.
Die Nachricht von seinem Tod wurde am Donnerstag vom Sender ABC verbreitet, bei dem Nichols' Frau Diane Sawyer als prominente Nachrichtensprecherin arbeitet.
ABC-Nachrichtenchef James Goldston würdigte Nichols als "wahren Visionär, der die höchsten Ehren der Kultur als Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Komiker gewann".
Dem Multitalent war gelungen, wovon ganz Hollywood und der Broadway träumt. Er wurde mit einem Oscar, einem Grammy sowie mehreren Emmys und Tony-Preisen für seine Broadway-Arbeit geehrt. Nur wenige andere, unter ihnen Mel Brooks, Barbra Streisand und der Komponist Richard Rogers, haben ebenfalls das Quartett dieser höchsten US-Kulturpreise gewonnen.
"Wer hat Angst vor Virginia Woolf?", "Die Reifeprüfung", "Silkwood": Nichols schrieb, drehte und produzierte Dutzende Filme mit Hollywoods größten Stars. Elizabeth Taylor, Meryl Streep, Annette Bening, Richard Burton, Harrison Ford und Gene Hackman standen vor seiner Kamera. Nichols gab dem damals unbekannten Dustin Hoffman eine Chance und machte ihn zum Star der reich prämierten Gesellschaftssatire "Die Reifeprüfung" (1967). Er selbst wurde mit dem Regie-Oscar gewürdigt.
Zuletzt engagierte Nichols Tom Hanks, Julia Roberts und Philip Seymour Hoffman für seine Politsatire "Der Krieg des Charlie Wilson" (2007). Der Regisseur wagte sich damit an die brisante, wahre Story des texanischen Abgeordneten und CIA-Mannes Charlie Wilson, der in den 80er Jahren den Kampf afghanischer Rebellen gegen die Sowjetunion mit millionenschweren Waffengeschäften unterstützte. Zuvor hatte Nichols mit "Hautnah" (2004) einen Beziehungskrieg inszeniert, in dem sich Jude Law, Julia Roberts, Natalie Portman und Clive Owen in Sex, Untreue und Lügen verstricken.
Nichols, der mit treffendem Blick den American Way of Life bissig-ironisch kommentierte, war gerade 35 Jahre alt, als ihn die amerikanische Zeitschrift "Newsweek" zu "Amerikas einzigem Starregisseur" kürte und Hollywoods Neuentdeckung eine Titelstory widmete. Mit der sensationellen Filmadaption von "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" mit Richard Burton und Elizabeth Taylor in den Hauptrollen war ihm 1966 der Durchbruch gelungen.
Der Regisseur inszenierte seither - am Broadway und in Hollywood - regelmäßig Hits, wie den Atomkraft-Thriller "Silkwood", die satirische Karriere-Posse "Die Waffen der Frau", die Schwulen- Komödie "The Birdcage - Ein Paradies für schrille Vögel" oder die Politsatire "Mit aller Macht - Primary Colours" mit John Travolta als sexbesessenem US-Präsidentschaftskandidaten.
"Ich spreche kein Englisch"
Als siebenjähriger Michael Igor Pechkowsky kam der in Berlin geborene Sohn jüdischer Eltern auf der Flucht vor den Nazis in die USA. Sein einziger Wortschatz damals: "Ich spreche kein Englisch" und "Bitte, küss mich nicht", wie Nichols später der "New York Times" sagte. Nach einem abgebrochenen Psychologie-Studium in Chicago zog er nach New York, seiner Lieblingsstadt, die er stets Hollywood vorzog.
Sprungbrett für seine Karriere war Ende der 1950er Jahre das Varieté. An der Seite der Komödiantin Elaine May avancierte er mit bissigem Humor am Broadway rasch zum Publikumsliebling. Doch Nichols wollte Regie führen. Sein erster Versuch, die Theaterinszenierung von "Barfuß im Park" mit Robert Redford, war 1963 gleich ein Hit.
Als Redford das Rollenangebot für "Die Reifeprüfung" ausschlug, castete Nichols Dustin Hoffman. Zusammen gelang ihnen ein zeitloses Meisterwerk, das sich über die verlogene Gesellschaftsordnung lustig macht, mit sexuellen Tabus bricht und Hoffman als Star des amerikanischen Films etablierte.
Im Laufe seiner Karriere verdiente sich Nichols sieben Tony- Trophäen, einen Oscar, einen Grammy und mehrere Emmy-Preise, sowie den Ruf als schlagfertiger Entertainer und Gesprächspartner. Hinzu kommt das Lob seiner Stars. Meryl Streep schwärmte in der "New York Times" über den "großartigen" Filmemacher: "Regisseure wollen oft Kontrolle über alles haben, doch Mike hat die Begabung, sich im richtigen Moment herauszuhalten und Dinge geschehen zu lassen".
Von Barbara Munker und Gisela Ostwald, dpa - Patrick Kovarik/AFP