Über François Truffaut und seine Filme gibt es fast so viele Bücher wie der französische Regisseur leichtfüßige Dramen drehte. Als der Mitbegründer der Nouvelle-Vague mit 52 Jahren durch einen Hirntumor aus dem Leben gerissen wurde, hatte er mehr als 25 Filme gedreht.
Der Kult um seine Person reißt nicht ab. Zum 30. Todestag des am 21. Oktober 1984 verstorbenen Autors, Produzenten und Schauspielers widmet ihm Frankreich zahlreiche Filmzyklen und die Pariser Cinématheque française eine bedeutende Retrospektive.
"Sein Tod hat einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen, ein Gefühl der Unvollendetheit", erklärte Serge Toubiana, der Direktor der Cinémathèque française. Er sei zu jung und zu früh gestorben. Bis zum 25. Januar werden in dem Filminstitut Auszüge aus "Jules und Jim", "Eine amerikanische Nacht" und "Die letzte Metro" gezeigt sowie Fotografien, kommentierte Drehbücher und private Dokumente aus dem Familienbesitz. Sie illustrieren ein Leben, das dem Kino gewidmet war. Denn für Truffaut war die Leinwand nicht nur Realitätsflucht, sondern auch Therapie.
Truffauts Filme zeichnen ein kaleidoskopisches Porträt. In "Sie küssten und sie schlugen ihn" schuf er mit der Filmfigur Antoine Doinel eine Art Alter Ego. Das Jugenddrama handelt von einem Jungen, der in ärmlichen Verhältnissen lebt und unter seinen Eltern leidet. Es erzählt Truffauts Lebens- und Leidensgeschichte: Am 6. Februar 1932 in Paris als uneheliches Kind geboren, wuchs er bei seiner Großmutter auf.
Als ungeliebtes Einzelkind galt er als schwer erziehbar und wurde in Erziehungsheime eingewiesen. Halt fand er in Literatur und Film. Seine ersten 200 Filme hat er heimlich gesehen. Er habe dafür die Schule geschwänzt, wie er später gestand. Als Filmkritiker verschaffte er sich Zugang zur Welt des Kinos, die er 1954 revolutionierte.
Zusammen mit Jean-Luc Godard und Claude Chabrol gründete er die Nouvelle Vague. Eine Bewegung, die mit dem kommerziellen Kino und den hochglanzpolierten Hollywood-Streifen brach. Unkonventionelle Kamera-Führung, ungewöhnliche Schnitte und der eigene persönliche Stil wurden zu ihrem Markenzeichen. Kindheit, Jugend und sein Verhältnis zu Frauen waren seine schwierigen persönlichen Themen.
Truffaut drehte Filme, um seine Wunden zu heilen. "Ich mache Filme, um meine Jugendträume zu erfüllen, und um mir und anderen Gutes zu tun", wie er in seinen Interviews wiederholte. Werke, die trotzt aller Problematik von erstaunlicher erzählerischer Leichtigkeit sind. In seinem Oeuvre verberge sich ein großes Mysterium, etwas, das immer wieder auftauche, erklärte der Direktor des Pariser Filminstituts vor wenigen Tagen dem Radiosender "France Inter". Ein Mysterium, das der Cineast viel zu früh mit in sein Grab genommen hat.
Von Sabine Glaubitz, dpa - Bild: Lionel Bonaventure/AFP