Ein gesellschaftskritischer Film aus der Türkei hat beim Festival von Cannes den Hauptpreis Goldene Palme gewonnen. In mehr als drei Stunden erzählt der Regisseur Nuri Bilge Ceylan in "Winter Sleep" von tatenlosen Intellektuellen in seiner Heimat. Weitere Auszeichnungen gingen an die Italienerin Alice Rohrwacher, den jungen kanadischen Filmemacher Xavier Dolan sowie die Schauspieler Julianne Moore und Timothy Spall.
Das Internationale Festival von Cannes gilt als wichtigstes Filmfest der Welt. Es ist die zweite Palme d'Or für einen Film aus der Türkei. 1982 gewann das Drama "Yol - Der Weg" von Serif Gören und Yilmaz Güney den begehrten Hauptpreis des Festivals.
Die deutsche Ko-Produktion "Winter Sleep" des 55-jährigen Ceylan, der in Cannes für seine früheren Werke bereits wichtige Auszeichnungen wie den Großen Preis der Jury gewonnen hat, spielt im ländlichen Kappadokien. Ein ehemaliger Theaterschauspieler, dessen Frau und seine geschiedene Schwester führen philosophische Debatten über Moral, über Richtig und Gut - können diese Theorien aber selbst nicht in die Praxis umsetzen.
Auch der mit der zweitwichtigsten Auszeichnung des Festivals - dem Großen Preis der Jury - geehrte Film übt Sozialkritik: "Le meraviglie" der Italienerin Alice Rohrwacher handelt von einer Familie, die in Armut auf dem Land lebt und deren älteste Tochter von der Teilnahme an einer Reality-Fernsehshow träumt.
Der mit 25 Jahren jüngste Filmemacher im Wettbewerb, Xavier Dolan, war neben Ceylan als großer Favorit gehandelt worden. Für sein bildgewaltiges Mutter-Sohn-Drama, in dem der Kanadier mutig mit den Kinokonventionen spielt, gab es den Preis der Jury. Dieser wurde zwei Mal verliehen und ging zu gleichen Teilen auch an das 3D-Experiment "Adieu au langage" von Jean-Luc Godard, mit 83 Jahren dem ältesten Teilnehmer im Cannes-Wettbewerb 2014.
Timothy Spall bester Schauspieler
Als bester Schauspieler wurde der Brite Timothy Spall (bekannt als dicklicher Zauberer Peter Pettigrew aus den Harry-Potter-Filmen) für seine Leistung in "Mr. Turner" ausgezeichnet. In dem Werk von Mike Leigh gibt er den Maler J.M.W. Turner, einen führenden Vertreter der Romantik.
Die US-Amerikanerin Julianne Moore ("The Hours") gewann für ihre Rolle einer verzweifelten Aktrice in "Maps to the Stars" von David Cronenberg die Trophäe als beste Schauspielerin.
Auch der deutsche Regisseur Wim Wenders wurde geehrt. Die Dokumentation "The Salt of the Earth" über den brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado, die Wenders zusammen mit Salgados Sohn Juliano gedreht hat, gewann bereits am Freitagabend den Spezialpreis der Sektion Un Certain Regard.
Die Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne gingen in diesem Jahr leer aus. Sie waren mit ihrem Werk "Deux jours, une nuit" ebenfalls unter den Bewerbern um den Hauptpreis. Die Verleihung der Goldenen Palme an das Filmemacher-Duo aus Belgien wäre eine Sensation gewesen, damit hätten sie den Hauptpreis in Cannes bereits zum dritten Mal gewonnen.
Das Festival von Cannes fand zum 67. Mal statt. Jury-Präsidentin für den Wettbewerb war die neuseeländische Regisseurin Jane Campion ("Das Piano").
belga/dpa/sh - Bild: Valery Hache (afp)