Seine Stimme zittert, seine Hände nesteln nervös am Notizzettel. Der Brite Steve McQueen muss sich einen Moment sammeln, er hat gerade Oscar-Geschichte geschrieben: Sein brutaler und aufwühlender Film "12 Years a Slave" gewinnt den Oscar als bester Film.
Bei den ur-amerikanischen Academy Awards, bei denen sich Hollywood normalerweise selbst feiert, triumphiert damit zum ersten Mal das Werk eines schwarzen Regisseurs, der nicht einmal Amerikaner ist - und das auch noch mit einem Film über das Schicksal eines Sklaven in den USA.
"Ich widme diesen Preis allen Menschen, die jemals unter Sklaverei gelitten haben, und den 20 Millionen Menschen, die noch heute darunter leiden", sagt der 44-jährige McQueen schließlich in seiner Dankesrede. "Jeder verdient es, nicht nur zu überleben, sondern auch zu leben."
Brad Pitt, der als Mitproduzent des Films ebenfalls einen Oscar entgegennahm, betonte die Aktualität des Themas. Es sei wichtig, dass die Menschen die Geschichte verstehen. "So können wir besser verstehen, wer wir jetzt sind und warum wir bestimmte Probleme haben."
McQueens Auftritt im Dolby Theatre in Hollywood markiert den bewegenden Abschluss einer emotionalen Oscar-Verleihung. Zuvor erhält die Kenianerin Lupita Nyong'o für ihre Rolle einer erniedrigten Sklavin in "12 Years a Slave" den Goldjungen als beste Nebendarstellerin. Mit tränenerstickter Stimme ruft sie den jubelnden Gästen entgegen: "Ich vergesse nicht einen Moment, dass ich die Freude in meinem Leben dem Schmerz so vieler Anderer verdanke."
Jared Leto, ausgezeichnet als bester Nebendarsteller für seine Leistung im Aidsdrama "Dallas Buyers Club", verneigt sich vor seiner Mutter: "Danke, dass du mir das Träumen beigebracht hast." Der 42-Jährige nutzt die Bühne dann noch für ein politisches Statement: "An all die Träumer da draußen, in der Ukraine und in Venezuela: (...) Während ihr darum kämpft, eure Träume wahr werden zu lassen, denken wir an euch." Wenig später jubelt Leto dann seinem Co-Star zu: Matthew McConaughey nimmt die Trophäe als bester Darsteller nach Hause.
Gleich mehrere wichtige Auszeichnungen gehen an Filmschaffende aus dem Ausland. Neben der Australierin Cate Blanchett, die für Woody Allens "Blue Jasmine" als beste Hauptdarstellerin geehrt wird, triumphiert vor allem der Mexikaner Alfonso Cuarón. Sein bildgewaltiges, in 3D gedrehtes Weltraum-Drama "Gravity" sichert sich sieben Oscars und ist der zweite große Gewinner der Academy Awards.
Cuarón kann als erster Mexikaner über die Trophäe für die beste Regie jubeln. Zugleich verdeutlicht der Oscar-Erfolg von "Gravity", wie elegant ein Film kommerziellen Erfolg mit einer starken visuellen Präsenz verbinden kann. So feiert "Gravity" mit Sandra Bullock und George Clooney in den Hauptrollen kunstvoll die Wucht der großen Leinwand und ist mit Kinoeinnahmen von rund 700 Millionen Dollar zugleich weltweit ein Blockbuster.
Ellen DeGeneres glänzt
Und es gibt noch eine Gewinnerin: Moderation Ellen DeGeneres. Sie führt souverän durch die Show und sorgt mit so mancher Spitze für Lacher. So macht sie sich über den Jugendwahn Hollywoods lustig und lässt gegen das Magenknurren der Stars Pizza in Pappkartons in das Dolby Theatre kommen.
Mit einem "Selfie", einem Smartphone-Foto von sich und Stars wie Meryl Streep, Julia Roberts, Angelina Jolie und Brad Pitt, landet sie dann auch noch einen Twitter-Hit: Das promi-gespickte Bild wird bei dem Kurznachrichtendienst allein in den ersten acht Stunden etwa 2,5 Millionen Mal weitergeleitet.
Außerdem beweist DeGeneres - augenzwinkernd - vorausschauende Analysegabe. Gleich zu Beginn der Show äußert sie scherzhaft die Befürchtung, die Weltöffentlichkeit könne Film-Amerika als rassistisch beschimpfen: "Alles kann passieren, es gibt so viele Möglichkeiten. Nummer eins: "12 Years a Slave" wird bester Film. Nummer zwei: Ihr seid alle Rassisten." Hollywood kann nun also aufatmen.
dpa - Bild: Joe Klamar/AFP