Der Lehrsatz für den jungen Börsenmakler ist simpel. "Hol das Geld aus der Tasche deiner Kunden und stopf es in die eigene Tasche." Was sein Vorgesetzter ihm da sagt, hat Leonardo DiCaprio in der Rolle des Finanzwelt-Neulings schon bald verinnerlicht. Er wird "The Wolf of Wall Street", wie das Werk von Martin Scorsese heißt.
Mit Hunderten Millionen Dollar aus den Taschen der Investoren feiert er eine Dauerparty mit Sexorgien und Kokainbergen. Der schrille Film ist satirisch überzeichnet - und fußt doch auf einer wahren Begebenheit: In den 80ern und 90ern sorgte Finanzjongleur Jordan Belfort für Furore, bis er im Knast landete.
Für DiCaprio ist es die fünfte Zusammenarbeit mit Filmemacher Scorsese, zuvor trat der Akteur unter Anweisung des Regie-Altmeisters etwa in "Departed" oder "Gangs of New York" auf. Nun wird für DiCaprio ein Schauspielertraum wahr: Er spielt eine neue Version der fast schon legendären Filmfigur Gordon Gekko, die Michael Douglas in "Wall Street" 1988 einen Oscar einbrachte.
In einer dreistündigen, auf ihn zugeschnittenen Großproduktion zeigt DiCaprio die ganze Palette seines Könnens: Er hält ergreifende Reden, schreit vor Wut, lallt im Rausch, lacht vor Freude, weint vor Verzweiflung. Keine Frage, DiCaprio ist einer der begabtesten Akteure der Traumfabrik - und so könnte er bei den anstehenden Golden Globe- und Oscar-Preisverleihungen jubeln.
An seiner Seite sind Jonah Hill ("Superbad") und Matthew McConnaghey ("Magic Mike") zu sehen. Margot Robbie ("Pan Am") mimt die blonde Schönheit, die mit Juwelen und anderen Luxusgeschenken zu begeistern ist. Wie fast alle anderen Frauen in dem Film dient sie nur als Sexobjekt in einer Männergesellschaft, die mit dem plötzlichen Reichtum ihre Moral an den Nagel gehängt hat.
Mag die Rolle der Frauen dem Genre der Satire geschuldet sein, so hinterlässt der Film in seinem betont oberflächlichen Erzählfluss einen faden Beigeschmack: Sein Hauptdarsteller brilliert, absurde Partyszenen sind slapstickhaft komisch - doch warum bleibt der Film als ganzes so seltsam unkritisch? Die um ihr Geld geprellten Kleinanleger kommen fast gar nicht zu Wort - was umso irritierender ist, da doch explizit Bezug genommen wird auf eine reale Geschichte.
Selbst als die Hauptfigur Belfort am Ende doch noch stürzt, gehen die Filmemacher mit Samthandschuhen mit ihr um. Belfort (DiCaprio) preist seine Firma bis zuletzt als Verwirklichung des amerikanischen Traums: Ihm zum Dank konnten sich seine Mitarbeiter aus eigener Armut hinausarbeiten und Großverdiener werden. "Es hält euch niemand davon ab, Millionen zu machen", ruft er vor versammelter Mannschaft seinen jubelnden Mitarbeitern zu. Er darf sich weiterhin als Erfolgsgaranten feiern, der nur ein paar Schrammen hat.
Im Laufe des Films verhöhnt Belfort einen FBI-Agenten für dessen mickriges Jahressalär - das reiche doch nur für unkomfortable U-Bahn-Fahrten auf dem Weg zur Arbeit. Ein Bestechungsversuch schlägt fehl, der FBI-Agent bleibt standhaft und bringt Belfort zu Fall - und wird als alles andere als ein strahlender Sieger dargestellt: Mit mattem Blick ist der Ermittler in einem stickigen, verranzten U-Bahn-Abteil zu sehen, umgeben von armen, apathischen Menschen.
Als solle die Botschaft des Films lauten: Die Gier nach Geld verdirbt zwar den Menschen, aber wenigstens lässt es sich mit so einer Einstellung komfortabel leben.
Von Wolf von Dewitz, dpa - Bild: Ben Stansall, afp