Clint Eastwood ist der Regisseur dieser Filmbiografie, die auf einem Drehbuch von Oscar-Preisträger Dustin Lance Black ("Milk") basiert.
Die Figur J. Edgar Hoover kennt man aus vielen Filmen. Der Begründer des FBI, das die Verfolgung von Kriminellen in den USA zu einer Bundesangelegenheit und sie mit neuen wissenschaftlichen Methoden effizienter machte, blieb bis zu seinem Tode 1972 an der Spitze dieser Behörde.
Er war einer der mächtigsten Männer Amerikas und die Geheimdossiers, die er über führende Persönlichkeiten seines Landes anlegte, waren allgemein gefürchtet. In den vielen Filmen über die Kennedys zum Beispiel wird immer erzählt, wie Robert Kennedy, der Justizminister, versucht, Hoover in seine Schranken zu verweisen, was aber nicht gelingt, weil Hoover zu viel über die Frauenaffären des Präsidenten John F. Kennedy weiß.
Hoover war bekannt für seine anti-kommunistischen Ansichten und machte auch aus seiner Abneigung gegen Schwarze und Homosexuelle keinen Hehl. Da Hoover aber unverheiratet war und seinen Stellvertreter Clyde Tolson als seinen Haupterben eingesetzt hatte, kam es zu Gerüchten, er sei wohl eine Art "Schrankschwester" gewesen, also ein verkappter Homosexueller, der nicht zu seiner Neigung stehen konnte und, um jeden Verdacht von sich zu lenken, Schwule umso heftiger diskriminierte und verfolgte.
Diese nicht bewiesene These vertritt auch der Film "J. Edgar", der ein erstaunlich sanftes Porträt des gefürchteten Kripo-Chefs zeichnet. Zwar wird er manchmal auch als machthungriger Despot dargestellt, aber in den meisten Szenen kommt er als unsicherer und sogar sensibler Mensch rüber, der von seiner Mutter (Judi Dench) gegängelt wird, sich nicht traut, dem Mann seines Lebens (Armie Hammer) seine Liebe zu gestehen, und in seiner Sekretärin (Naomi Watts) eine zuverlässige Verbündete hat.
Ganz gleich ob das jetzt historisch richtig ist, diesen J. Edgar Hoover so zu spielen, war für Leonardo di Caprio eine willkommene Herausforderung, die er bravourös meistert und die ihm vielleicht nächste Woche seine vierte Oscar-Nominierung einbringen wird.
Was die Inszenierung angeht, so ist sie wie meistens bei Clint Eastwood diskret und zurückhaltend, und so wirkt der Film manchmal mehr wie eine ernste Geschichtsstunde als wie ein pralles Kaleidoskop, das er auch hätte sein können. Zum Vergleich: Martin Scorsese und seine Filmbio von Howard Hughes, "The Aviator", die so ganz anders war und dabei den selben Hauptdarsteller hatte.
Der Film überfliegt 50 Jahre amerikanischer Geschichte und ermöglicht uns ein Wiedersehen mit der berüchtigten Kommunistin Emma Goldman, die 1917 die russische Revolution in St. Petersburg miterlebt hat (siehe "Reds" von und mit Warren Beatty), dem Wunderflieger Charles Lindbergh und seinem entführten Baby, der Schauspielerin Ginger Rogers sowie den verschiedensten Präsidenten, unter denen Hoover gedient hat und die er das Fürchten gelehrt hat.
Frank Vandenrath - Bild: Paul Buck (epa)