"La promesse", "Rosetta", "Le fils", "L'enfant" und "Le silence de Lorna": Wer eine Arbeit über die sozialen Missstände in der Lütticher Gegend schreiben will, braucht sich nur die Filme von Luc und Jean-Pierre Dardenne anzuschauen und er ist bedient.
Durch ihren internationalen Erfolg tragen die Dardenne-Brüder leider dazu bei, das Bild Belgiens im Ausland entscheidend mitzuprägen. Ein Land, das nicht imstande ist, eine Regierung zu bilden, dessen berühmtester Prozess der letzten zwanzig Jahre der eines Kinderschänders war und dessen Aushängefilme die sozialrealistischen Werke der Dardennes sind, muss sich nicht wundern, wenn es im Ausland einen merkwürdigen Ruf hat.
Wie sagte doch in dem britischen Film "Brügge sehen und sterben" die Frau von Ralph Fiennes, als dieser sich anschickte, den Kanal zu überqueren: "Belgien?, ... aber da fährt man doch nicht hin!". Ich unterschlage dabei das Adjektiv, das den Wörtern Belgien und Brügge in diesem Film meistens voranging und mit F anfängt.
Nun können die Gebrüder Dardenne natürlich nichts dafür, dass sie so angesehen sind, und natürlich dürfen sie die Filme machen, die sie gerne und gut machen. Aber es wäre doch schön, wenn Belgien mal etwas Anderes kinomäßig anzubieten hätte als diesen hausgemachten Miserabilismus. Gibt es denn bei uns gar nichts zu lachen, nichts, über das man sich freuen könnte?
"Le gamin au vélo" erzählt auf beeindruckend deprimierende Weise die Geschichte des jungen Cyril (Thomas Doret), der in einem Heim lebt und nicht akzeptieren kann, dass sein Vater (Jérémie Renier) nichts mehr von ihm wissen will. Immer wieder bricht der Junge mit seinem Fahrrad aus, um nach dem Vater zu suchen. Dabei lernt er die Frisörin Samantha (Cécile de France) kennen, die ihm anbietet, ihn an den Wochenenden bei sich aufzunehmen. Sie ahnt nicht, worauf sie sich einlässt ...
90 Minuten typische Dardenne-Kost, bei der die Hoffnungsschimmer, so es sie denn gibt, von einem gnadenlos logischen Drehbuch plattgewalzt werden. Zwar gibt es Menschen, die versuchen, Cyril aus der Patsche zu helfen, aber es gibt genügend andere, die ihn immer weiter reinreiten. In späteren Aktennotizen wird es heißen: Der Junge hatte nie eine reelle Chance. Oder vielleicht doch? Das Ende bleibt zumindest so offen, dass optimistische Zuschauer einen Strohhalm erkennen dürfen, an dem sie sich festhalten können.
La Belgique: douze points? Urteilen Sie selbst!
Frank Vandenrath - Bild: Cannes Film Festival
Die internationale Jury in Cannes war wieder einmal überzeugt.
Ich freue mich über den Erfolg.
Ich finde,Sie sehen das zu negativ,Herr Vandenrath.