Eine riesige Uhr dreht durch, Menschen laufen im Kreis, die Augen starr auf ihre Handys gerichtet. Gitarrenrhythmen treiben die Szene an. Das Ensemble stimmt den Queen-Klassiker an: "Pressure pushin' down on me, pressin' down on you …" So beginnt das Theaterstück "Lola rennt".
Das Stück erzählt die Geschichte von Manni, Geldkurier für einen Autoschieber. Seine Freundin Lola soll ihn abholen, doch ihr Handy ist leer. Auf dem Weg vergisst er die 100.000 Euro für die Übergabe. Nun liegt es an Lola, ihn zu retten. 20 Minuten hat sie, sonst wird er das Geld mit einem Überfall beschaffen.
Das Team hat sich bei der Bearbeitung des Filmstoffs bewusst von den filmischen Mitteln des Originals gelöst, erklärt Dramaturg Tom Hirtz. "Der Film von Tom Tykwer ist großartig, aber natürlich filmisch gedacht. Die größte Herausforderung war, es für das Theater neu zu denken, eine neue ästhetische Form zu entwickeln, und das hat großen Spaß gemacht. Deswegen glaube ich, dass es auch für die Menschen, die den Film kennen, ein ganz neues Erlebnis wird. Es ist die gleiche Geschichte, aber ganz anders erzählt."
Die Bühnenfassung setzt auf Nähe und Direktheit. Alles passiert unmittelbar vor den Augen des Publikums. Licht und Bühnenelemente markieren Orts- und Perspektivwechsel, eine Off-Stimme gibt Einblick in Lolas Gedanken. Neben dem zentralen Wettlauf gegen die Zeit greift die Inszenierung auch neue Themen auf, etwa Alkoholismus, Obdachlosigkeit und den übermäßigen Medienkonsum unserer Zeit. Musik von Grönemeyer bis Queen verstärkt die Emotionen und die Atmosphäre auf der Bühne.
Für das Bühnenbild gab es von Anfang an ein eindringliches Konzept. "Unsere Regisseurin Maren Dupont, die auch die Bühnenfassung geschrieben hat, hatte von Vornherein als großes Bild eine überdimensionale Uhr vor Augen und die Idee, dass Lola gegen die Zeit rennt. Insofern gibt es diese große Uhr bei uns auf der Bühne, auf einer Drehbühne mit drehenden Zeigern. Es ist eine drehende Uhr, und Lola rennt im wahrsten Sinne des Wortes physisch erlebbar gegen die Zeit."

Drei Mal wird die Uhr zurückgedreht, drei Mal rennt Lola los - jedes Mal mit demselben Ausgangspunkt, aber mit einem anderen Verlauf. Kleine Details verändern das große Ganze.
Das Stück wirft damit große Fragen auf: "Gibt es wie Schicksal? Gibt es etwas, das vorherbestimmt ist, ganz unabhängig von allen Zufällen und allem eigenen Willen? Das sind natürlich Grundfragen der Menschheit, die die Menschen schon vor tausend Jahren beschäftigt haben und uns wahrscheinlich noch bis zum Ende unseres Daseins weiter beschäftigen werden. Eben genau diese drei Dinge: Zufall, eigener Wille, Schicksal", meint Hirtz.
Nicht nur Erwachsene, auch Jugendliche können sich mit den Figuren identifizieren. "Ich glaube, dass die sich durchaus gut mit Lola und Manni identifizieren können, weil es zwei junge Figuren sind, die eine unglaubliche Energie haben und einen Lebenswillen. Aber gleichzeitig finden sie sich in einem System wieder, das sehr starr ist und das sie als einengend empfinden. Wo sie sich auch ihren Weg suchen müssen oder die Systemgrenzen sprengen müssen."
So bietet "Lola rennt" nicht nur Action und Tempo, sondern auch Raum zum Nachdenken. Denn am Ende bleibt die Frage: Was wäre, wenn? "Im besten Fall verfolgt man in den nächsten paar Tagen und vielleicht auch Nächten nochmal für sich den einen oder anderen Gedanken, der im Stück angetippt wurde. Wie ist das eigentlich in meinem Leben? Wo entscheide ich selbst? Wo lasse ich mich schubsen oder wo sind die Zufälle, die mein Leben auf einmal beeinflussen? Ich finde es ganz gesund, wenn man sich diese Frage regelmäßig stellt."
"Lola rennt" feiert am 30. Oktober Premiere im Das-Da-Theater Aachen. Die Vorstellungen laufen bis Januar.
Alice Devroye