In meinem letzten Artikel vor der Verleihung der Oscars hatte ich zwei mögliche Szenarien aufgezeigt: "Entweder gewinnt der Film "The King's Speech" so ziemlich alles, wofür er nominiert wurde, oder die Fraktion der Nicht-von-der-Nostalgie-Geblendeten schafft es, in verschiedenen Kategorien andere Akzente zu setzen. Das Ganze dürfte relativ schnell klar sein: Gewinnt “The King’s Speech” am Beginn des Abends Oscars in technischen Kategorien oder bei den Nebenrollen, wird er alles absahnen. Ist das nicht der Fall, dürfte die Verleihung abwechslungsreicher verlaufen."
Die zweite Variante ist eingetreten: Zu Beginn des Abends hat "The King's Speech" bis auf den Drehbuch-Oscar nichts gewinnen können, weder technische Oscars, die an "Inception" und "Alice im Wunderland" gingen, noch die Oscars für die besten Nebenrollen, die an Melissa Leo und Christian Bale in "The Fighter" gingen. Als dann "The Social Network" dem stotternden König auch noch die Oscars für Schnitt und Musik vor der Nase wegschnappte, begannen die Fans des Facebook-Films plötzlich auf ein Wunder zu hoffen. Konnte es sein, dass es eine Umkehr in letzter Sekunde gegeben hatte und "The Social Network" vielleicht doch noch der beste Film des Jahres sein würde? Als dann aber der relativ unbekannte Regisseur Tom Hooper den Regie-Oscar bekam und nicht David Fincher, waren die Würfel gefallen. "The King's Speech" ist der Oscar-Film des Jahres mit einer relativ mageren Ausbeute von vier Trophäen (bei zwölf Nominierungen).
Die Show, die als besonders hip angekündigt wurde (Anne Hathaway und James Franco sollten als Moderatoren ein jüngeres Publikum ansprechen), war genauso dröge wie viele ihrer Vorgänger, aber sie war erstaunlich kurz. Schon nach drei Stunden und zehn Minuten fiel der Vorhang. Das Publikum im Saal war eher frostig, es gab kaum "standing ovations". Und viel Show gab es auch nicht. Vor allem fehlte es an gefühlsträchtigen Momenten, aber das lag auch daran, dass die Dankesreden ziemlich schlicht ausfielen. Und darauf haben die Verantwortlichen der Sendung natürlich keinen Einfluss. Nicht jeder ist ein Tom Hanks, der sich selbst in Tränen hineinsteigert, oder ein Roberto Benigni, der über Tische und Stühle springt. Und auch wenn Colin Firth meinte, innerlich sei er drauf und dran, vor Freude herumzuhüpfen, merkte man es dem kühlen Briten nicht wirklich an.
Die Gewinner
Bester Film: The King's Speech
Beste Regie: Tom Hooper (The King's Speech)
Bester Hauptdarsteller: Colin Firth (The King's Speech)
Beste Hauptdarstellerin: Natalie Portman (Black Swan)
Bester Nebendarsteller: Christian Bale (The Fighter)
Beste Nebendarstellerin: Melissa Leo (The Fighter)
Bestes Original-Drehbuch: The King's Speech
Bestes Drehbuch nach einer Vorlage: The Social Network
Beste Kamera: Wally Pfister (Inception)
Bester Schnitt: The Social Network
Bester Ton: Inception
Beste Toneffekte: Inception
Beste Visual Effects: Inception
Beste Ausstattung: Alice im Wunderland
Beste Kostüme: Alice im Wunderland
Beste Maske: The Wolfman
Beste Musik: Trent Reznor und Atticus Ross (The Social Network)
Bester Song: "We belong together" aus Toy Story 3
Bester Animationsfilm: Toy Story 3
Bester nichtenglischsprachiger Film: In einer besseren Welt (Dänemark)
Frank Vandenrath - Bilder: Andrew Gombert, Paul Buck und Mike Nelson (epa)