Da die vier Darsteller ausgezeichnet worden sind, die sowieso schon seit Wochen die Favoriten sind, scheint das Oscar-Rennen in diesen Kategorien gelaufen zu sein. Nur ganz selten zaubern die Oscars einen anderen Schauspielernamen aus dem Hut, wenn es vorher so einen Konsens gegeben hat.
Spannend wird das Rennen aber plötzlich in der Königskategorie, denn überraschend ist Tom Hooper, der noch relativ unbekannte Regisseur des Films "The King's Speech", von seinen Kollegen zum besten des Jahres gekürt worden und hat so namhafte Kandidaten wie David Fincher ("The Social Network") und Christopher Nolan ("Inception") aus dem Rennen geworfen.
Seitdem es diesen Preis der Regisseure gibt (1949), ist es nur sechsmal vorgekommen, dass ein anderer Regisseur den Oscar erhalten hat. Er gilt also als ziemlich sicheres Barometer. Nur, wenn Tom Hooper den Regie-Oscar erhält, dann wird sein Film auch bester Film des Jahres, denn schließlich hat "The King's Speech" die meisten Nominierungen bekommen.
Was bedeutet das?
Das Phänomen, dass immer seltener klassische Oscar-Filme gedreht werden, nämlich Filme, die sowohl die Kritik als auch einen großen Teil der Kinogänger begeistern können (wie z.B. "Out of Africa", "Der mit dem Wolf tanzt", "Schindlers Liste" oder "Titanic"), hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass Oscar sich immer öfter für kleine alternative Filme entschieden hat statt sein Herz seelenlosen Blockbustern zu schenken. Dieser Logik entsprechend bot sich "The Social Network" als würdiger Nachfolger von "The Hurt Locker", "Slumdog Millionaire", "No Country for Old Men", "The Departed", "Crash" und "Million Dollar Baby" an.
Wenn allerdings ein Film daher kommt, der an die gute alte Oscar-Zeit erinnert und sowohl die Kritiker als auch das Publikum anspricht, dann korrigiert die vermeintlich progressive Wählergemeinschaft ganz schnell wieder ihren Kurs. In der Tat stand "The King's Speech" bei vielen Kritikern auf einem der ersten fünf Plätze. Und mit einem Einspielergebnis von 72 Millionen Dollar am 28. Januar kann er sich auch von der kommerziellen Seite aus sehen lassen.
Ob der Film jetzt tatsächlich ein "klassischer" Oscar-Film ist, werde ich allerdings erst bestätigen können, wenn ich ihn gesehen habe.
Frank Vandenrath - Bilder: Paul Buck und Mike Nelson (epa)