Lange mussten Lukas Dhont und sein Team warten, bis sie endlich Gewissheit hatten. Der Film "Close" war nominiert in der Kategorie "Bester internationaler Film". Und in der Oscar-Show stand die erst relativ spät auf dem Programm: Kategorie 18 von insgesamt 24. Dann endlich: die Entscheidung aus dem Mund der mexikanisch- amerikanischen Schauspielerin Salma Hayek: Kalte Dusche! "Edward Berger: Im Westen nichts Neues". Dann doch!
Für die meisten Beobachter war das keine Überraschung. Der deutsche Antikriegsfilm galt allgemein als Favorit in der Kategorie. Bester Beweis: Die Netflix-Produktion konnte noch drei weitere Oscars einheimsen. Die Konkurrenz für Close war einfach übermächtig.
Große Erfolge
Regisseur Lukas Dhont hatte bis zuletzt darauf gehofft, dass sich die Stimmberechtigten doch anders entschieden hätten. Weil sein Film so anders sei als das, was insbesondere das amerikanische Kino eigentlich sonst so hervorbringt. In "Close" geht es um zwei Jungs, die eine sehr intensive Freundschaft verbindet, die aber schmerzhaft zerbricht, weil die beiden von Mitschülern permanent verdächtigt werden, homosexuell zu sein. Das Ganze gipfelt in einer tragischen Katastrophe. Ein aufwühlender und zugleich feinfühlig inszenierter Film. Nicht umsonst gewann Close über 30 internationale Film- und Festivalpreise und wurde für mehr als 50 weitere Auszeichnungen nominiert. Größter Erfolg war wohl der "Große Preis der Jury" bei den Filmfestspielen in Cannes.
Entsprechend enttäuscht sei Lukas Dhont denn auch gewesen, bestätigten Eden Dambrine und Gustav De Waele, die beiden jungen Hauptdarsteller des Films. Zugleich sei Lukas aber auch stolz gewesen, dass sie alle zusammen der Zeremonie hätten beiwohnen dürfen. Lukas Dhont selbst äußerte sich zunächst nur noch einmal über eine kurze Videobotschaft am Rande eines Fototermins: "Hallo Ihr Lieben in Belgien! Wir haben den Oscar leider nicht gewonnen. Aber wir haben alles, wirklich alles getan, um Close so weit zu tragen, wie es nur eben ging. Wir sind ein superstolzes Team."
Stolz kann der 31-jährige Regisseur aus Gent auch sein. Denn Close war erst der achte belgische Spielfilm, der für einen Oscar nominiert war. Und das bei immerhin 95 Oscar-Verleihungen. Dass es am Ende dann doch nicht gereicht hat, mag schade sein, aber bei den Oscars ist "dabei sein" tatsächlich schon fast "alles".
Junge Hauptdarsteller
Das gilt erst recht für die beiden jungen Hauptdarsteller. Eden Dambrine ist 16, Gustav De Waele ist erst 14 Jahre alt. Und beide haben schon an ihrer ersten Oscar-Verleihung teilgenommen. Das können nun wirklich nicht viele von sich behaupten. Und sie haben es sichtbar genossen: "Ich bin total glücklich", sagte in der VRT Eden Dambrine. Nicht, weil wir verloren haben, sondern weil ich hier sein durfte. Ich hab' Lady Gaga gesehen, ich hab' ein Foto mit Austin Butler (der unter anderem in einer Filmbiografie über Elvis Presley die Hauptrolle spielt, Anm. d. Red), ich hab' Rihanna gesehen. Besser geht doch nicht!" "In unserem Alter sowas erleben zu dürfen: Toll!", bestätigt Gustav De Waele. "Und mein Abend konnte gar nicht mehr getoppt werden, spätestens nach meinem Foto mit Steven Spielberg."
Also trotz der kleinen Enttäuschung: ein mehr als gelungener Abend. Und das alles soll's auch nicht gewesen sein. "Wir haben die Show knallhart genossen. Und das ist für uns Grund genug, um's nochmal zu probieren und dann auch den Oscar zu gewinnen", sagt Lukas Dhont. Zeit genug hat er jedenfalls noch. Lukas Dhont ist erst 31 und "Close" war nach seinem viel gerühmten Erstlingswerk "Girl" erst sein zweiter Spielfilm.
Close war übrigens auch, man könnte sagen, eine belgo-belgische Coproduktion. Finanziert wurde der Film nämlich unter anderem mit Hilfe von Fördermitteln sowohl aus Flandern als auch aus dem frankophonen Landesteil.
Roger Pint