Der Schriftsteller Dennis Lehane ist es, der seine Stadt Boston zum Schauplatz atmosphärisch dichter Kriminalgeschichten gemacht hat. Und da drei seiner Bücher bisher mit Erfolg verfilmt worden sind ("Mystic River", "Gone Baby Gone" und "Shutter Island"), weiß auch das Kinopublikum inzwischen, dass die altehrwürdige Universitätsstadt über so manche Schattenseiten verfügt.
Ben Affleck stammt ebenfalls aus dieser Gegend. Er hat zusammen mit Matt Damon das Drehbuch zu "Good Will Hunting" geschrieben, der Geschichte eines hochbegabten Jungen aus der Arbeiterklasse, der sich davor scheut, zu seinem Talent zu stehen. Dafür gab es 1998 den Drehbuch-Oscar.
Sein zweites Drehbuch war die Umsetzung des Dennis-Lehane-Romans "Gone Baby Gone", bei der er auch zum ersten Mal Regie führte. Die Hauptrolle überließ er seinem Bruder Casey Affleck.
Und jetzt also Drehbuch Nr. 3 und die zweite Regiearbeit von Ben Affleck: "The Town". Die Vorlage stammt diesmal von Chuck Hogan, aber wie immer spielt sich alles in und um Boston ab. Affleck gehört zu einer Bande, die Banken und Geldtransporter überfällt. Bei einem dieser Unternehmen nehmen die Gangster eine Geisel, lassen sie aber später wieder frei. Da sie sich nicht sicher sind, ob die Frau nicht etwas über ihre Entführer herausbekommen hat, überwacht Affleck sie eine Weile, führt ein zwangloses Kennenlernen herbei und ... verliebt sich. Einer seiner Mittäter, eine Art tickende Zeitbombe (gespielt von Jeremy Renner, der in diesem Jahr für seine Rolle in "The Hurt Locker" oscarnominiert war), sieht das gar nicht so gern. Wird Affleck es schaffen, auszusteigen?
Während man anfangs glaubt, es wieder mit einer Dennis-Lehane-Story zu tun zu haben, in der die psychologische Studie der Figuren wichtiger ist als das, was passiert, merkt man nach und nach, dass Affleck diesmal eher einen klassischen Gangsterfilm im Visier hatte. Den Überfällen und Verfolgungsjagden räumt er viel Platz ein, wobei es ihm tatsächlich gelingt, diesen eigentlich abgedroschenen Szenen erstaunlich viel Adrenalin einzuimpfen. Und da er die Psycho-Spielchen zwischen der Polizei, der Geisel und den Räubern trotzdem im Auge behält, ist ihm ein Film gelungen, der auf mehreren Ebenen funktioniert und sich wohltuend aus dem aktuellen Filmangebot hervorhebt.
Rebecca Hall, die Geisel, kennen wir aus "Vicky Cristina Barcelona" von Woody Allen und "Frost/Nixon". Jon Hamm, der FBI-Agent, ist bekannt geworden durch die Fernseh-Serie "Mad Men".
In Hollywood wird schon darüber spekuliert, ob dieser Film bei den Oscars eine Rolle spielen könnte, und das obwohl er einem Genre entstammt, für das die Oscars sich eigentlich nicht wirklich erwärmen können. Urteilen Sie selbst!
Frank Vandenrath - Bild: epa