Ein Mann schaut durch ein großes Fenster auf einen See. Er hat Kopfhörer auf und hört merkwürdige Töne. Sie klingen wie Sphärenklänge. "Whiammp, knääh" - die Töne von Walen, aufgenommen mit Unterwassermikrophonen.
Dann hört er nur noch ein monotones Brummen. "Dadadageerö" - das monotone Geräusch eines Dieselgenerators eines Frachtschiffes übertönt alle Geräusche unter Wasser. Der Mann reißt die Kopfhörer herunter. Er ist sauer, heute kann er keine Wale mehr studieren.
Hermann Meuter ist Walforscher, er hat eine kleines Forschungslabor an der Westküste Kanadas aufgebaut. Meuter klagt, dasssich bald einiges ändern wird. Riesige Tanker sollen Flüssiggas nach Asien exportieren. Ihre Route geht direkt durch das Walgebiet. "Anfangs, als wir unsere Unterwassermikrofone installierten, bemerkten wir, wie still es hier unter Wasser ist. 2006 hieß es auf einmal, man wolle Öltanker von Kitimat aus nach Asien schicken. Mir war sofort klar: Das hätte immense Auswirkungen."
Meuter erforscht das soziale Gefüge der schwimmenden Riesen an der Westküste Kanadas zusammen mit Janie Wray. Sie beeindruckten die Waltöne schon als Kind. Als sie deren Töne mit neuen Jahren das erste Mal hörte, spürte sie eine tiefe Verbundenheit mit den Tieren. Das hat sich bis heute nicht verändert.
"Das Schöne bei der Walbeobachtung von Land aus ist, dass man sie kaum stört. Sie können selber entscheiden, ob sie zu einem kommen. Und es gibt keinen Lärm unter Wasser", sagt Janie Wray. Sie befürchtet, dass die Wale ihre Orientierung verlieren, wenn die Frachter lautdröhnend durch das Gebiet ziehen. Niemand weiß, wie sich diese Störgeräusche auswirken.
An der Westküste wohnen überwiegend die Ureinwohner Kanadas, die in Clans organisiert sind. Zwei davon - der Raven und der Whale Clan - haben die beiden Walforscher adoptiert, damit sie hier arbeiten können.
Nicht alle einig
Bei den First Nations - den indigenen Völker Kanadas - gibt es Widerstand gegen die Tankerflotte. "Wir brauchen ein Nein zu Tankern an der Küste unseres Territoriums. Es gibt hochrangige Politiker, die sagen, das sei gut für Kanada. Aber für uns ist es nicht gut. Wir First Nations leben seit tausenden von Jahren an dieser Küste."
Doch die wirtschaftliche Lage der indigenen Einwohner ist katastrophal. Trotz der verwurzelten Naturverbundenheit überzeugte der Konzern Politiker und Ureinwohner von einer angeblichen Harmlosigkeit der Tankerroute. Im Gegenzug werden die anliegenden, strukturschwachen Dörfer finanziell unterstützt – dies jedoch nur, solange niemand sich über negative Konsequenzen der Tanker beschwert.
In dem Film lässt die Dokumentarfilmerin Mirjam Leuze alle Betroffenen zu Wort kommen. "The whale and the raven" wirft die Frage auf, inwieweit parallel zur industriellen Nutzung durch den Menschen der Lebensraum der Wale erhalten bleiben kann.
Es ist ein Film mit vielen unverfälschten Naturaufnahmen. Die Regisseurin hat zwar ihren subjektiven Blick auf die Wale und die Natur, aber die Aufnahmen hat sie nicht verschönt. Graues, nasskaltes Wetter, aber auch berauschende Unterwasseraufnahmen zeigt die Filmerin aus der Sicht der Wasserbewohner und aus der Sicht der Menschen.
Besonders aber begeistern die Luftaufnahmen aus der Vogelperspektive – der "Rabenperspektive". Mit diesen großartigen Bildern einer grandiosen Landschaft entsteht ein berührendes Gefühl der unermesslichen Weite der in Kanada bislang unberührten Natur.
Kinostart ist der 12. September, er läuft im Apollo Kino in Aachen vom 12 bis zum 18. September. Wer sich nach dem Film die Wale selber ansehen möchte, kann sich bei den beiden Walforschern auf BCwhales.org auch um ein Praktikum bewerben.
Katja Engel