José Luis Sampedro war alles andere als ein Revolutionär. Der spanische Schriftsteller, der im Alter von 96 Jahren gestorben ist, war kein Altlinker und gehörte keiner politischen Organisation an. Er stammte eigentlich aus der Welt der Wirtschaft. Dennoch wurde er zum Leitbild der "Empörten", der größten Protestbewegung in der jüngeren Geschichte Spaniens.
Der Humanist war das spanische Pendant des Ende Februar gestorbenen Franzosen Stéphane Hessel, der das Manifest "Empört Euch" geschrieben hatte. Sampedro verfasste das Vorwort zur spanischen Ausgabe. Er war ein scharfer Kritiker des Neoliberalismus und sah die westliche Zivilisation ihrem Untergang entgegenstreben.
"Es geht zu Ende", sagte er vor zwei Jahren auf dem Höhepunkt der Proteste der "Spanish Revolution". "Ich kann nicht sagen, wie. Aber man merkt es am Verfall von Ethik und Moral. Werte wie Solidarität, Gerechtigkeit und Würde geraten in Vergessenheit. Die Korruption rührt daher, dass die Regierenden sich zum Verkauf anbieten. Der Kapitalismus verwandelt alles in eine Ware. Das Geld zum höchsten Wert zu machen, führt uns in die Katastrophe."
Sampedro war im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) in die Armee der republikanischen Regierung eingezogen worden. Er lief später zu den Truppen des späteren Diktators Francisco Franco über, was er später mit seiner Herkunft aus einem konservativen Elternhaus begründete. "Die Not und die Repression der Nachkriegszeit trieben mich zum Schreiben", erinnerte er sich. "1940 stellte ich meinen ersten Roman fertig."
Hauptberuflich widmete er sich jedoch der Wirtschaft. Er wurde Professor für Wirtschaftsstruktur in Madrid und zählte spätere Minister wie Carlos Solchaga, Miguel Boyer, Pedro Solbes oder Elena Salgado zu seinen Schülern. Zeitweise diente er auch dem Handelsministerium des Franco-Regimes als Berater.
Derweil schrieb er - neben wirtschaftlichen Fachbüchern - Theaterstücke und andere literarische Werke. Die sozialen Aspekte interessierten ihn immer mehr als die nüchternen Zahlen der Ökonomie. Seinen Durchbruch als Schriftsteller erzielte er in den 80er Jahren mit den Romanen "Das etruskische Lächeln" und "Der Gesang der Sirene", die auch ins Deutsche übersetzt wurden.
Sampedro war stets ein Nonkonformist, der sich nicht nach Moden oder politischen Trends richtete. Dies verlieh ihm ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Er hatte schon früh eine gewisse Sympathie für anarchistische und republikanische Ideen empfunden. Aber dies hinderte ihn nicht daran, 1977 einen von König Juan Carlos zugesprochenen Sitz im Senat (Oberhaus des Parlaments) anzunehmen.
Von Hubert Kahl, dpa - Bild: Jorge Zapata, afp