Zehn Jahre nach dem Tod des begnadeten Roberto Bolaño ist wieder ein "neuer" Roman erschienen. Die gute Nachricht für die Fangemeinde seiner monumentalen Meisterwerke "Die wilden Detektive" und "2666": Auch dieses viel schmalere Buch hat die ganz spezielle Bolaño-Mischung. Die schlechte Nachricht: "Die Nöte des wahren Polizisten" ist ziemlich unfertig geblieben.
Die Nöte der literarischer Nachlassverwalter bei der Suche nach Stoff für immer neuen postume Veröffentlichungen scheinen enorm. Wenn schon im Vorwort eines Juan Ródenas (ohne Angabe seiner Funktion) erklärt werden muss, es handele sich hier wirklich um einen Roman, wird man jedenfalls hellhörig.
Über fast zwanzig Jahre habe Bolaño an dem Buch gearbeitet, heißt es da. Das "Einzigartige an diesem Verlauf" sei die Einbeziehung von Material aus anderen Werken. Obwohl Bolaño die meisten seine Bücher irgendwie miteinander verwoben hat. In diesem bringt die Lektüre eine Wiederbegegnung mit dem linken Literaturwissenschaftler Amalfitano und dem Schriftsteller Archimboldi (hier Arcimboldi ohne "h") sowie der mexikanischen Wüstenstadt Santa Teresa aus "2666".
Amalfitano muss mit seiner Teenager-Tochter Rosa wegen homosexueller Affären aus Spanien nach Santa Teresa verschwinden. Hier werden Vater und Tochter von der Polizei verfolgt, der Literaturwissenschaftler wechselt ausführlich Briefe mit seinem an Aids erkrankten Ex-Liebhaber Padilla aus Barcelona.
Wie in "Naziliteratur in Amerika" treibt Bolaño eine brillantes literarisches Spiel mit Inhaltsangaben imaginärer Bücher. Wie in all seinen Büchern fesselt er auch hier, zumindest über Passagen, mit dem wilden Bolaño-Universum aus trauriger Glückssuche, viel Sex, allgegenwärtiger Gewalt, treffsicherer Ironie vor allem zum Literaturbetrieb und souveränen Gesellschaftsbildern.
Aber komplett bleibt das Gefühl aus, einen fertigen Roman zu lesen. Zu unterschiedlich die Qualität der fünf Teile, zu dünn der innere Zusammenhang. Hardcore-Fans dürften Spaß an diesem "Steinbruch" für die Hauptwerke haben. Wer Bolaño kennenlernen möchte, sollte unbedingt woanders anfangen.
Roberto Bolaño
Die Nöte des wahren Polizisten
Hanser Verlag, München
272 Seiten, 21,90 Euro
ISBN 978-3-446-23973-9
Von Thomas Borchert, dpa - Cover: Hanser Verlag