Die Naturgewalten haben den Buchmessen-Ehrengast Neuseeland fest im Griff. Im Gastland-Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse ist es ziemlich dunkel.
Oben funkeln die Sterne, unten spiegelt sich ein bleicher Mond. Das Architektenbüro Pattersons hat die Gastland-Halle unter Wasser gesetzt. Die Besucher müssen sich im Schummerlicht über Brücken und Stege ihren Weg zur Insel in der Mitte des Raums bahnen.
Neuseeland ist nicht gerade eine Nation mit vielen bekannten Autoren und langer literarischer Tradition. Als "Meister im Geschichtenerzählen über alle Formatgrenzen hinweg" hatte Buchmessen-Direktor Juergen Boos die Neuseeländer angekündigt - und sie gaben sich alle Mühe, dieser Erwartung gerecht zu werden. Auf raumhohen Leinwänden in der Mitte der Halle werden Sterne zu Buchstaben und Buchstaben zu Zitaten. Buchseiten wehen auseinander und falten sich zu Städten. Aus Buchrücken werden Muster und aus den Mustern die bemalten Gesichter der Ureinwohner.
Ein Schauspieler-Sänger-Tänzer watet während der etwa 20-minütigen Multimedia-Show dazu durch den Wassergraben, liegt lesend auf einem schwimmenden Bett, am Ende steht er halbnackt im prasselnden Regen. Matiu Ngaropo ist dieser Leser und Vorleser und er sagt schöne Sätze wie: "Du möchtest schlafen, aber hinter geschlossenen Augen sind Worte wie Ratten, die nicht ruhen."
Das gedruckte Buch führt indes nur ein Nischendasein: Am Rand der Wasserfläche stehen kleine Zelte, in denen Bücher von der Decke baumeln. Hell und gemütlich sieht es dort aus, aber der Leser muss stehen, um darin zu blättern. Ok, das passt ins Konzept: "Lange bevor es Bücher gab, gab es Geschichten" ist ein weiterer Satz, den man in diesem Pavillon aufschnappen kann und er passt wie kein zweiter zu diesem Land, das eine lange Tradition mündlichen Erzählens hat und eine kurze des schriftlichen Publizierens.
Maori-Künstler führten die ersten Gäste am Dienstag durch den Pavillon, sie sangen und sprachen in der Sprache der Ureinwohner, Tänzer stampften und schrien den Kriegstanz "Haka" - und machten allesamt ganz bewusst keine Anstalten, das alles zu übersetzen. Kein Problem, wenn keiner etwas verstehe, sagte der Maori-Erzähler Joe Harawira nach seinem Auftritt. "Just hear the spirit."
Über 300 Veranstaltungen haben die Neuseeländer vor und während der Messe auf die Beine gestellt, 100 Künstler und 70 Autoren einfliegen lassen, darunter Anthony McCarten ("Ganz normale Helden"), Paula Morris ("Rangatira") und Emily Perkins ("Die Forrests"), die Krimi-Autoren Paul Cleave und Paddy Richardson oder die Maori-Autoren Alan Duff und Witi Ihimaera. "In den vergangenen Jahren wurden im Schnitt pro Jahr zehn neuseeländische Titel ins Deutsche übersetzt", berichtet der Präsident des neuseeländischen Verlegerverbandes, Kevin Chapman. "In diesem Jahr sind es bereits 83 Übersetzungen."
Auf der Messe kann man Neuseeland nicht nur im Ehrengast-Pavillon erleben, sondern auch in Halle 8.0, wo sich 40 neuseeländische Verlage einen Gemeinschaftsstand teilen. Neuseeländische Küchenchefs kochen im "Forum" und im Gourmet-Bereich in Halle 3.1. Im Comic-Zentrum präsentieren sich Zeichner aus Neuseeland. Am Samstag treffen sich junge Menschen zum "Hobbit-Cosplay", einem Kostümfest, inspiriert von den in Neuseeland verfilmten Tolkien-Büchern.
Von Sandra Trauner, dpa - Bild: Arne Dedert, afp