Das Buch ist schmal, die Sprache schlicht und die Geschichte dreht sich fast nur um einen einzigen Angel-Ausflug - aber dennoch fasziniert Ernest Hemingways "Der alte Mann und das Meer" auf fast schon magische Art und Weise. Seit 84 Tagen schon hat der alte, lebenskluge und bescheidene kubanische Fischer Santiago nichts geangelt. Am 85. Tag schließlich macht er den Fang seines Lebens - einen Marlin größer als sein Boot - aber auf dem Weg zurück zum Hafen nagen Haie den Speerfisch bis auf die Gräten ab. Am Samstag (1. September) wird die Geschichte über den finalen Kampf eines alten Mannes mit seinem Körper und Gewissen, den Gezeiten, dem Wetter und nicht zuletzt auch dem Schicksal 60 Jahre alt.
Am 1. September 1952 erschien die rund 26.000 Wörter umfassende Novelle erstmals im amerikanischen "Life"-Magazin. Mehr als fünf Millionen Hefte wurden verkauft. Kurze Zeit später erschien auch eine deutsche Version. Kritiker überschütteten die Erzählung zunächst mit Lob. Später bemängelten einzelne jedoch, dass sich Hemingway in der übernatürlichen, fast schon Jesus-artigen Schilderung des Santiago verliere und die Geschichte eine misslungene Parabel auf das Leben des Schriftstellers und den Kampf mit seinem Werk und seiner Identität sei.
Hemingway - selbst ein begeisterter Angler - hatte zuvor schon in einer Kurzgeschichte mit der Figur des Fischers Santiago experimentiert. "Der alte Mann ist keine bestimmte Person", sagte der Autor, der sich 1961 das Leben nahm, einmal in einem Interview. "Es ist der Kampf eines Menschen mit einem Fisch. Ich schrieb diese Geschichte aufgrund meiner Erfahrungen im Fischfang, die ich im Laufe von dreißig Jahren in diesen Gewässern und auch schon vorher gemacht habe."
Es sollte Hemingways letztes zu Lebzeiten veröffentlichtes Buch bleiben - und seinen Ruhm zementieren. 1953 bekam der unter anderem auch durch Werke wie "Fiesta", "In einem anderen Land" und "Wem die Stunde schlägt" bekannt gewordene Autor den Pulitzer-Preis, 1954 den Literatur-Nobelpreis. "Der alte Mann und das Meer" erwähnten die Juroren in der Begründung ausdrücklich.
Noch heute zieht die spannend-tragische Geschichte, die dutzende Male verfilmt und am Theater aufgeführt wurde, Menschen weltweit in ihren Bann. "Ich habe es vor einem Jahr noch einmal gelesen und war wieder so unglaublich begeistert", sagte beispielsweise der Fernsehmoderator Ulrich Wickert im vergangenen Jahr in einem Interview. "Da steckt Mut drin, da steckt viel Demut drin - ein großartiges Buch."
Die Übersetzung sei allerdings keineswegs einfach gewesen, sagte Werner Schmitz, der das Buch jüngst neu ins Deutsche übertragen hat, in einem Interview. "Das Problem ist, dass er viele Hauptsätze verwendet, meist kurze, knappe nebeneinandergestellte Aussagen. Wenn man das im Deutschen liest, klingt es, als würde ein kleines Kind erzählen. Man muss eine Balance schaffen, dass es sich im Deutschen auch "erwachsen" anhört." Auch die vielen Fachausdrücke aus der Fischerei seien schwierig zu übersetzen gewesen.
Ein Satz wird jenseits aller Schlichtheit und Übersetzungsprobleme immer hängen bleiben, weil er längst ins deutsche Allgemeingut übergegangen ist. Santiago sagt ihn, nachdem Haie schon große Stücke aus seinem Speerfisch herausgebissen haben und auch seine Harpune im Kampf gegen die Angreifer über Bord gegangen ist: "A man can be destroyed but not defeated." (Man kann vernichtet werden, aber man darf nicht aufgeben.)
Christina Horsten, dpa - Bild: epa