"Menschen ermüden vom Leid anderer Menschen. Sie verlieren die Lust, Rücksicht zu nehmen, wollen wieder selbst klagen dürfen. Sie sind heimlich wütend darüber, dass vor meinem Problem jedes ihrer eigenen Probleme verblasst. Meine Anwesenheit zwingt sie, ihr Glück zu begreifen. Ich weiß das, weil auch ich so gewesen bin. So ungeduldig und schicksalsfremd", so ein Auszug aus "Mein drittes Leben", dem letzten Buch von Daniela Krien.
Für ihr Gesamtwerk wird die in Leipzig geborene Autorin nun mit dem Walter-Hasenclever-Preis in Aachen ausgezeichnet. Häufig thematisiert sie tiefe Gefühle von Menschen. Im jüngsten Roman verliert eine Mutter ihr Kind. Auch Daniela Krien musste einen schweren Schicksalsschlag ertragen: Nach einer Impfung erlitt ihre Tochter Langzeitschäden und benötigt vollzeitige Pflege. Diese persönlichen Erfahrungen lässt sie in ihr Werk einfließen.
Olaf Müller vom Kulturbetrieb der Stadt Aachen ist Jury-Mitglied beim Walter-Hasenclever-Preis. "Im Mittelpunkt stehen Menschen, oftmals mit gebrochenen Existenzen, die sich in der neuen Welt nach 1989 zurecht finden müssen und die in einem gewissen Widerspruch zur Gesellschaft stehen. Damit gibt es so einige Übereinstimmungen mit den Figuren von Walter Hasenclever."
Walter Hasenclever, gebürtiger Aachener, war ein Dramatiker und Lyriker des deutschen Expressionismus. Er floh aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach Frankreich, wo er in einem Internierungslager Suizid beging.
"Wir erinnern an jemanden aus einer Zeit, die zu den schrecklichsten Zeiten in Europa gehörten. Das ist von Deutschland verursacht worden. Die Erinnerung soll uns mahnen, dass dies nie mehr passieren darf und zugleich ist es auch eine Anerkennung der literarischen Werke dieses Schriftstellers aus Aachen, der nur 49 Jahre alt geworden ist", erzählt Olaf Müller.
Daniela Krien ist gerade 50 Jahre alt geworden. Bislang hat sie fünf Bücher veröffentlicht. Ihren ersten Roman "Irgendwann werden wir uns alles erzählen" veröffentlichte sie im Jahr 2011. Am Tag vor der Preisverleihung liest sie aus ihrem Werk im Ludwig Forum Aachen. Dort werden zudem einige Texte Hasenclevers anlässlich seines 85. Todestags vorgelesen. Die Preisverleihung findet am 21. September im Spiegelsaal des Theater Aachens statt.
Wieso der Ort so wichtig ist, erklärt der Jury-Vorsitzender Axel Schneider: "Walter Hasenclever war in den 1920er Jahren einer der meist gespielten Dramatiker in Deutschland. Das weiß man heute nicht mehr, weil er von dem Regime, den Nazis, in Vergessenheit gedrängt worden ist. Deswegen hat die Intendantin des Stadttheaters vorgeschlagen, zum ersten Mal die Preisverleihung im Spiegelsaal stattfinden zu lassen."
Die Veranstaltung ist kostenlos. Karten sind an der Theaterkasse erhältlich. Der Abend wird zudem von einer Pianistin begleitet. Klassische Musik spielt eine große Rolle für Daniela Krien. Für sie ist die Musik eine wichtige Inspirationsquelle.
Anna Lux