Die Hauptperson im Buch "Unsere Suche nach Zärtlichkeit" ist der 49-jährige Monsieur Dumont, wie er im Roman genannt wird. Dumont wohnt in Brüssel, wahrscheinlich in der Stadtgemeinde Ixelles, ist von Beruf Uhrmacher. Wichtiger für den Roman ist aber seine ehrenamtliche Tätigkeit als Telefon-Seelsorger.
Diese Tätigkeit bringt ihn dazu, eines Tages quasi von jetzt auf gleich von Brüssel nach Antibes in Südfrankreich zu fahren. Nach 36 Seiten des Buchs verlässt damit auch der Leser Brüssel mit dem Zug, kommt aber gegen Ende des Buches zusammen mit Dumont nochmal für knapp 40 Seiten nach Brüssel zurück. Diesmal übrigens per Flugzeug.
Schmale Gratwanderung
Ehrenhauser wagt mit dem Roman eine schmale Gratwanderung zwischen Herz-Schmerz-Geschichte – schon allein der Titel weist in diese Richtung – und Ernsthaftigkeit. Seinen Protagonisten zeichnet er nicht als Super-Helden, sondern als einen normalen Menschen wie du und ich. Als jemanden, der ganz natürlich seine Schwächen hat.
Dumont ist ein eher empfindsamer und nachdenklicher Mensch, er zweifelt, ist sich nicht immer sicher, hat nicht auf alles direkt eine Antworte parat. Nicht immer passt jeder Handgriff, manchmal fällt eben auch mal was auf den Boden.
Mitten in Brüssel
Daneben zeigt Ehrenhauser ein Talent dafür, den Leser atmosphärisch an die Orte der Romanhandlung zu führen. Zusammen mit Dumont geht der Leser zum Beispiel durch das nächtliche Brüssel die Avenue Winston Churchill entlang, steht mit ihm im Foyer des Konzerthauses Flagey, fährt vom Flughafen Zaventem im Taxi über den Schuman-Platz, an der U-Bahn-Station Maelbeek und der Porte de Hal vorbei bis nach Saint-Gilles.
Durch diese beiläufig beschriebenen Szenen wird die Stadt lebendig, wird sie so gezeigt, wie sie ist, fühlt sich der Leser tatsächlich an der Seite des Protagonisten mitten in Brüssel.
Mit Stärken und Schwächen
Das gleiche gelingt Ehrenhauser mit den Szenen in Antibes. Wer Antibes und die Provence kennt, der wird auch hier das Gefühl haben, direkt mit vor Ort zu sein.
Große Literatur bekommt der Leser in "Unsere Suche nach Zärtlichkeit" zwar nicht geboten, aber einen Roman, der gut zu lesen ist, zum Nachdenken anregt und sich nicht scheut, Menschen zu zeigen, wie sie sind. Mit Stärken und Schwächen.
Unglücklicher Titel, gutes Cover
Das Buch ist auch ein Liebesroman, aber nicht nur. Weshalb der Titel nicht sehr glücklich gewählt ist, weil er den Inhalt des Buchs zu sehr auf einen Aspekt begrenzt. Viel besser dagegen gewählt ist das Bild für das Cover-Motiv. Es könnte aus einem der zahlreichen Cafés in Brüssel stammen und schiebt das Buch – anders als der Titel – nicht in die Ecke "Liebesschnulze", sondern macht eher neugierig auf das, was sich hinter dem Buchdeckel als Geschichte verbirgt.
Martin Ehrenhauser, "Unsere Suche nach Zärtlichkeit", Verlag List, Berlin 2025, 206 Seiten, 22 Euro.
Kay Wagner