Für Glück gibt es kein Rezept, heißt es. Oder doch? Seit Jahren nimmt die Zahl der Wissenschaftler zu, die sich mit der Definition, der Genese und Wirkung von Glück für den Einzelnen und die Gesellschaft befassen. Unter sozialem, ökonomischem oder psychologischem Blickwinkel.
Sie alle suchen nach einer griffigen Formel für das, was gemeinhin als flüchtig gilt. Doch ein paar unverzichtbare Grundzutaten für dieses Rezept scheint es weltweit zu geben - ungeachtet aller persönlichen und kulturellen Würzvorlieben.
Das zeigt ein interessanter Streifzug durch die Thesen hundert renommierter Glücksforscher, wie sie nun erstmals als Sammelband vorliegen («Glück - The World Book of Happiness», Dumont).
Subjektive Wertschätzung des Lebens
Der Niederländer Prof. Ruut Veenhofen (Erasmus Universität, Rotterdam), ein Experte auf dem Gebiet der Positiven Psychologie, definiert Glück als «subjektive Wertschätzung des Lebens» und hat die Frage «Wie zufrieden sind Sie, alles in allem, zurzeit mit ihrem Leben als Ganzes?» in 148 Nationen gestellt. Spitzenwerte auf der bis 10 reichenden Skala des Glücksmonitors erzielten dabei Costa Rica (8,5) Dänemark (8,3), Kanada und die Schweiz (je 8,0). Am wenigsten glücklich sind die Menschen in Togo (2,6), Tansania (2,6) und Simbabwe (2,8).
Das viele Geld der Superreichen - die jetzt wieder in der Forbes-Liste vorgestellt werden - oder schlicht Wohlstand sind also keineswegs Garanten für das gefühlte Glück, betonen die meisten Forscher. Es wächst keineswegs mit dem materiellen Wohlstand stetig weiter an, wie das Beispiel der (mit 7,9 Punkten nichtsdestotrotz sehr glücklichen) Norweger zeigt, deren Lebenszufriedenheit über Jahre hinweg untersucht wurde. «Wenn Menschen die Armutsgrenze hinter sich gelassen haben, trägt ein höheres Einkommen fast nichts zu ihrem Glück bei», sagt Prof. Robert Lane (Yale University, USA).
Auch mit bescheidenem Komfort glücklich zu sein, bedeutet aber zugleich: Sich nicht mit anderen, die mehr haben, zu vergleichen. «Befreien Sie sich von Neid!», empfiehlt Prof. David Watson (Universität Iowa, USA). An diesem Punkt scheiden sich allerdings auch die Geister der Glücksforscher: Je nach kulturellem Hintergrund stellen sie mehr die individuelle Entwicklung und das rein persönliche, sich aktiv zu erobernde Glück in den Mittelpunkt oder aber den Dienst an der Gemeinschaft, das Sich-Einbringen in ein funktionierendes Ganzes, das aus verschiedensten, auch gegensätzlichen Einzelteilen besteht.
Individuelles Glück oder Einbindung in die Gesellschaft?
Letzteres sehen vor allem asiatische Wissenschaftler als Schlüssel zum Glück. «Durch das Gleichgewicht zwischen Ying und Yang kann man einen Zustand innerer Harmonie erreichen, der letztendlich ein inneres Gefühl des Glücks fördert», ist Prof. Daniel Shek (Hongkong University, China) überzeugt. Ein krasser Gegensatz etwa zur Empfehlung von Prof. Claudia Senik von der Pariser Sorbonne: «Vergleichen Sie sich nicht mit anderen, konzentrieren Sie sich auf ihre eigenen Pläne und setzen Sie auf Ehrgeiz.»
Ebenso unterschiedlich sind die Auffassungen, die Glaube und Religion für das Glück des Einzelnen spielen. Viele Wissenschaftler sehen jedoch zumindest den Faktor Spiritualität als wichtig an. Reine Vernunftsmenschen, so scheint es, sind weniger glücklich.
In die Wiege gelegt?
Aber ist die Fähigkeit zum Glücklichsein vielleicht auch in die Wiege gelegt? «50 Prozent unseres Glückspotenzials sind angeboren. Zehn Prozent sind den Lebensumständen zuzuschreiben. Aber 40 Prozent des Glückspotenzials liegen in unserer Hand», sagt die Sozialpsychologin Prof. Sonja Lyubomirsky (University of California), die seit 20 Jahren zum Thema forscht. Glücksfähigkeit kann erlernt und trainiert werden, sagen auch andere: etwa, indem man Fehler als Lernerfahrungen umdeutet und den Blick auf Positives fokussiert.
Andere Kollegen betonen in ihren Arbeiten die Wichtigkeit von Sport, Humor, sinnvoller Arbeit, von Gesundheit oder Sex für ein glückliches Leben. Auch die Fähigkeit, seine Zeit mit Bedacht einzuteilen, wird als Glücksfaktor genannt. Oder das Bestreben, sich ein lebensfrohes «Party-Temperament» anzutrainieren - wie immer das etwa einem introvertierten Menschen auch gelingen soll. Und ein australischer Forscher glaubt sogar, dass Hirnstimulierung in Zukunft das Glücksempfinden um Quantensprünge voranbringen könnte.
Bis es jedoch soweit ist, verspricht eine andere Marschrichtung Aussicht auf Erfolg - und das weltweit: Die Fähigkeit des Einzelnen, sich als soziales Wesen zu erleben. Freunde, Partnerschaft, Familie - enge, verlässliche Bindungen zu pflegen, Netzwerke aufzubauen, die einen auch selbst tragen. Etwas für andere zu tun. Interesse und Neugier für seine Umwelt zu hegen. Der Spanier Prof. Jose Zaccagnini (Universität Madrid) fasst zusammen: «Erkennen Sie sich selbst und wenden Sie diese Erkenntnis zum Nutzen anderer an.»
Das Rezept
Und was ist nun mit dem Glücksrezept? Die kroatischen Psychologinnen Dubravka Miklovic und Majda Rijavec (Uni Zagreb) nennen sechs unerlässliche Zutaten: Einige gute, zuverlässige Freunde. Eine stabile Liebesbeziehung. Eine Arbeit, die zu den eigenen Fähigkeiten passt. Genug Geld für Grundbedürfnisse. Mindestens drei schöne Erlebnisse am Tag. Dankbarkeit für das alles.
Fünf mögliche Zutaten: Ein Kind oder mehrere Kinder. Ein Gott. Ein paar Zusatzjahre Ausbildung. Gesundheit. Einige Enttäuschungen. Das alles mit unausgegorenen Überzeugungen mischen und mit mehr positiven als negativen Gefühlen anrichten. Genießen!
«Glück - The World Book of Happiness»
Leo Bormans
Dumont Verlag
360 S.
Euro 25,00
ISBN 9783832193577
Andrea Barthélémy (dpa) - Bild: istock