Alexander von Humboldt ist abenteuerlustig, neugierig und eben rastlos. Nichts hält den Naturforscher und Anthropologen in Deutschland. Er bereist mit 20 Jahren zwar schon mal Belgien, Holland, England und Frankreich. Doch er will auf ganz große Fahrt.
Dann endlich erlaubt ihm eine große Erbschaft, auf Forschungsreise nach Südamerika gehen, dafür kündigt er sogar seine Staatsanstellung in Berlin. Andrea Wulf beginnt ihr Buch mit dem rastlosen Humboldt: "Ich bin froh wegzukommen. Das Leben in Europa ist unerträglich. Sogar der offene Atlantik ist jetzt ein Schlachtfeld, aber ich lasse mich nicht aufhalten. Am 5. Juni 1799 setzt die Mannschaft der spanischen Fregatte die Segel und ich breche endlich zu meinem Abenteuer auf."
Wenige Monate vor seinem 30. Geburtstag am 14. September startet er seine große Expedition. Fünf Jahre lang bereist er nacheinander die Gebiete der heutigen Staaten Venezuela, Kuba, Kolumbien, Ecuador, Peru und Mexiko.
Über diese Reise führt Humboldt zwar Tagebuch, aber bis vor kurzem konnten diese nur Wissenschaftler einsehen und studieren. Das geht auch der Autorin Andrea Wulf so. Doch als sie gerade über diesen Forscher schreibt, der vor 250 Jahren geboren wurde, ergibt sich ein Glücksfall für sie. "Als ich das Manuskript für meine Biografie über Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur fast fertig hatte, wurden Humboldts legendäre Südamerika-Tagebücher, die bis dahin in Privatbesitz waren, endlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht", erzählt Andrea Wulf.
Andrea Wulf findet aber auch die Spuren eines Schiffsunglücks in den bislang verschlossenen Aufzeichnungen: "Heute liegen sie hier in der Stabi in Berlin, 4000 Seiten gespickt mit hunderten von Humboldts Zeichnungen: Bergprofile, Flusskarten, Fische und hier eine ganz besondere Seite. Der dunkle Wasserfleck, der entstanden ist bei Humboldts Schiffsbruch am Orinoko. Und als ich diese Seiten sah, hat es mich umgehauen und ich wusste, dass ich ein ganz besonderes Buch machen wollte."
Humboldt ist auch ein talentierter und fähiger Zeichner. Und so finden sich in seinen Tagebüchern neben den Texten auch Skizzen fremder Länder, Menschen, Pflanzen und Tiere - alle wild durcheinander. Und wenn Humboldt schon sein Talent als Zeichner zeigt, warum dann nicht ein Buch über seine Reise gleich ganz zeichnen?
Graphic Novel
Also hat die Autorin als Expertin für Humboldt zusammen mit der Künstlerin Lillian Melcher die Tagebucheinträge zu einer Art Graphic Novel gestaltet. Ihnen ist so ist eine bunte Collage aus Texten und einfarbigen Zeichnungen von Humboldt, vermischt mit den neuen bunten Bildern, gelungen. Fast kann der Leser selber auf Entdeckungsreise in den farbenprächtigen Band gehen.
Und wer sich bislang an die Wissenschaft des Naturforschers nicht herangetraut hat, bekommt hier einen wunderbaren neuen Zugang in Form einer bunten Bildergeschichte. Einzig die Qualität der neuen Zeichnungen von Melcher erscheint reichlich naiv und sie kommen an die zeichnerischen Qualitäten von Humboldt nicht heran, dafür hat sie die Reise wunderbar in Szenen umgesetzt.
Insgesamt ist mit den kenntnisreichen Texten und bunten Illustrationen eine Hommage an einen visionären Wissenschaftler gelungen, der auch heute noch aktuell ist. Denn an einer Stelle beobachtet der Wissenschaftler schon damals: "Der Mensch hat drei Arten, die Natur zu zerstören: durch Rodung, künstliche Bewässerung und durch die gasförmigen Dämpfe."
Humboldt Verständnis von der Natur als lebendigem Ganzen, in dem alles verbunden ist, ist gerade in der heutigen Zeit mit Artensterben und Klimawandel hochaktuell. Und so ist der 250. Jahrestag des Geburtstag dieses revolutionären Forschers ein guter Anlass, daran zu erinnern.
"Die Abenteuer des Alexander von Humboldt" von Andrea Wulf ist erschienen im Bertelsmann Verlag und kostet 28 Euro.
Katja Engel