"Liebes Fräulein S. - Erlauben Sie mir bitte, Sie so zu nennen, obwohl ich mich vor allzu großer Höflichkeit fürchte wie vor jeder Unaufrichtigkeit." So beginnt Gerhard Heuschen am 30. September 1958 seinen Brief an Christa Schümer, seine spätere Ehefrau. Im Sommer hatte der gebürtige Walhorner die junge Hamburgerin in Brüssel kennengelernt, erzählt Bruno Kartheuser, für den Heuschen später ein enger Mitarbeiter der Literaturzeitschrift Krautgarten wurde. "Gerhard Heuschen, damals ein junger Mensch von 24 Jahren, Student in Leuven, trifft in Brüssel bei der Weltausstellung auf Christa Schümer, die als Mitarbeiterin der Bibliothek des deutschen Pavillons Dienst tut. Beide verlieben sich, er wird anschließend Soldat - und so hat er viel geschrieben, zuerst zwischen Leuven und Brüssel und dann aus seiner Kaserne", erklärt Kartheuser.
Gerhard Heuschen schrieb auf Deutsch und Französisch. Er studierte Jura, Griechisch, Latein, Philosophie und Psychologie, war buch- und kunstbegeistert. In Christa Schümer findet er die große Liebe seines Lebens. 1959 heiraten die beiden und lassen sich in Brüssel nieder. Dort arbeitet er als Texter und Übersetzer. Im Alter zieht das Ehepaar erst nach Maastricht, dann nach Bilzen.
Die Liebesbriefe bewahrte Gerhard Heuschen auf. Sie sind mehr als nur der poetische Ausdruck seiner Gefühle. Sie sind auch ein intelligenter Blick auf die Welt. Der junge Autor offenbare in seinen fast täglichen Briefen an die Geliebte die ganze Bandbreite seiner Persönlichkeit und seiner Affinitäten, sagt Bruno Kartheuser. "Es ist ein gelungenes, lesenswertes Buch, weil der Autor dieser Briefe schon das ganze Spektrum seiner späteren Gedichtarbeit aufscheinen lässt. Man hat schon den ganzen Heuschen mit seinen Motiven, die wir aus den Gedichten kennen, mit vielen Ausführungen über Musik, Kunst und Literatur, über moralische und politische Fragen."
In einem kleinen uralten Lederkoffer hat Christa Heuschen-Schümer die Briefe nach dem Tod ihres Mannes gefunden. Alfred Strasser und Bruno Kartheuser vom Krautgarten haben daraus ein 200-seitiges Buch gemacht. Es ist mit Fotos illustriert und mit farbigen Kunstkarten, auf denen Gerhard Heuschen seiner Frau Gedichte und Gedanken schickte. Beide waren kunstversessen, weiß Bruno Kartheuser. "Also kaufte Gerhard Kunstkarten und schrieb auf die Rückseiten - statt seines täglichen Berichtes - ein Gedicht oder Gedanken, die das Kunstwerk ihm eingab, und die er so mit ihr teilte. Sie haben diese Leidenschaft für Kunst ihr ganzes Leben behalten. Wenn sie Reisen machten, war das immer eng mit Kunst verbunden: Kunst betrachten gehen, Musik hören,... Beide waren sehr kunstbegeistert.
"Und schreiben werde ich auch. Gebe Gott mir die Kraft, einmal ein Buch zu publizieren. Darin soll stehen 'Meiner lieben Christa'." So schrieb Gerhard Heuschen im Oktober 1958. Doch zu Lebzeiten hat er nie ein eigenes Buch veröffentlicht. "Er hat als junger Mensch seine Manuskripte verschiedenen prominenten Autoren zugeschickt und bekam sehr ermutigende Antworten. Er das dann wieder sein lassen, aber damals hätte er sich durchaus einen Namen in Literatur machen können. Aber der Tagesberuf hat ihn aufgefressen und irgendein mangelndes Selbstvertrauen, das ich nicht begreife, wo er sonst von Selbstbewusstsein strotzte", so Kartheuser.
Seine einzige Publikation waren die Frontblätter, eine Privatzeitschrift, die er an interessierte Menschen verschickte. Für den Krautgarten entwarf Gerhard Heuschen das Konzept der Blickpunkt-Programme. Bis zuletzt hat er seine Gedanken niedergeschrieben. Eines seiner letzten Gedichte hat Bruno Kartheuser für die Rückseite des Buchcovers ausgewählt. "Erwachen" heißt es.
"ein stern ließ seine Augen fallen" - unter diesem Titel sind die Liebesbriefe von Gerhard Heuschen als Privatausgabe erhältlich bei der Vereinigung Krautgarten in Neundorf.
mb/mg - Bild: BRF