Die Jury würdigt ihre zeitgenössische Erzählkunst, die Flüchtlingen eine Stimme gibt und für ein respektvolles Miteinander einsteht.
"Wenn man anfängt, sich mit der Welt der Flüchtlinge zu beschäftigen, dann stellt man fest, dass unsere Welt in den Augen der Flüchtlinge eine ganz andere ist, ganz anders aussieht", sagte Erpenbeck im BRF. So lebten Flüchtlinge in den deutschen Städten ein ganz anderes Leben als die Einheimischen. Dies könne man von sich wegschieben, weil man es nicht ertrage, meint Erpenbeck, doch eigentlich dürfe man nicht wegschauen.
"Ich weiß nicht, warum wir reisen dürfen und andere nicht. Ich weiß nicht, warum wir uns bilden und arbeiten dürfen und andere nicht", sagt die Autorin.
Auch die Medien zeigen die Probleme laut Erpenbeck nur unvollständig. "Journalisten haben vielleicht nur ein oder zwei Mal die Möglichkeit, irgendwo hinzugehen und ein Interview zu führen. Um wirklich die essentiellen Dinge zu erfahren, braucht man aber mehr Zeit. Die viele Zeit des Wartens, die leer ist, die kann man wahrscheinlich schwer darstellen", glaubt sie.
Jenny Erpenbeck engagiert sich bei der privaten Hilfsorganisation SOS Mediterranee, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer mit einem eigenen Boot rettet. Darüber erfährt sie, wie viele Menschen Monat für Monat im Mittelmeer beim Fluchtversuch ertrinken. "In den Zeitungen findet man diese Zahlen nicht. Das ist auch nicht in den Nachrichten, weil es nicht mehr neu ist, weil die Leute sich an diese Tode gewöhnt haben", beklagt sie.
Sie appelliert dazu, sich auf die Schwierigkeiten des Lebens der Flüchtlinge einzulassen und etwa bei alltäglichen Dingen wie Behördengänge helfen. Sie selbst empfinde die Zeit, in der sie aktiv Flüchtlingen zur Seite steht als sehr bereichernd. "Weil ich auch gesehen habe, was unter der Schicht unserer schönen und kommerziell funktionierenden Welt verborgen ist. Auch diese unglaubliche Härte, die in der Bürokratie liegt, die wiederum auf politische Entscheidungen zurückgeht, ist kaum besser als der Existenzkampf im Urwald", sagt Jenny Erpenbeck im BRF-Interview.
mz/okr - Bild: Markus Scholz (dpa)