Die Vorstellung erfolgte, wie gewohnt, im Kreise der Autoren, Mitglieder, Freunde, Unterstützer. Und dennoch war es irgendwie anders, als in Neundorf die neue Ausgabe der Literaturzeitschrift "Krautgarten" vorgestellt wurde.
"Die Zeitschrift Krautgarten in der bisherigen Machart wird es so nicht mehr geben, das ist also ein Schlussheft. Und die künftigen Ausgaben, die wir noch machen werden, sind dann eher Experimente im kleineren Format. Das findet sich dann von Heft zu Heft", erklärt Herausgeber Bruno Kartheuser.
"Krautgarten" sei nie nur ein einsames Ein-Mann-Unternehmen gewesen, unterstrich Kartheuser, Jahrgang 1947. Den sieben Jahre jüngeren Leo Gillessen bezeichnete er als einen der Pfeiler des Unternehmens neben dem verstorbenen Robert Schaus.
Wie erlebt Gillessen dieses "Ende von etwas"? "Also genau können sie das im Krautgarten nachlesen, da steht meine poetische Antwort dazu … Das Ende von etwas ist vor allen Dingen der Anfang von etwas", so Gillessen.
Der Österreicher Alfred Strasser, der sich für deutschsprachige Literatur in sogenannten Randregionen interessiert, begegnete dem "Krautgarten" zufällig in einem Eupener Zeitschriftenladen. Daraus wuchs eine enge literarische Verbindung.
"Was besonders gut ist am Krautgarten, ist dass ganz unbekannte Autoren einschicken konnten. Also Lieschen Müller, die noch nie irgendwo publiziert hat und die ein paar Gedichte geschrieben hat, kann Gedichte schicken - und wenn sie gut sind, wurde sie auch neben einem Hans Joachim Schädlich oder neben einer Friederike Mayröcker publiziert“, erklärt der Dozent für Germanistik.
Die neue Ausgabe ist anders zusammengestellt worden als die bisherigen 68. Es wurde eine Auswahl getroffen von 45 Autoren und 17 bildenden Künstlern. Und selbstverständlich wird das Ende ausgiebig thematisiert. "Wir haben immer ausgesprochen, was wir erlebten, auch schon seit den 90er Jahren. Das haben wir auch in den letzten Heften gemacht", sagt Kartheuser.
"Also immer die Literatur in ihrer feinsten Form und auch die gesellschaftliche und die politische Diskussion, da wo sie uns über den Weg läuft. Das waren meistens Krisensituationen und Problemfälle." Kartheuser nennt die Niermann-Affäre in den neunziger Jahren und das Kulturdekret von 2013, auf dessen Grundlage dem "Krautgarten" die Anerkennung als Kulturträger verweigert worden sei.
Bestätigung fand das Unternehmen jenseits der Landes- und Sprachgrenzen. "Es ist das Ende eines schönen Abenteuers", sagt das frankophone Redaktionsmitglied Albert Moxhet. "Mit seiner internationalen Verbreitung war der Krautgarten so etwas wie ein Kulturbotschafter der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Schade, dass die Gemeinschaft auf diesen Botschafter verzichtet."
"Die Zeitschrift ist ja nun vertreten in fünf oder sechs verschiedenen europäischen Ländern: bis Österreich, Frankreich sowieso, und das ist ja nun doch sehr 'formidable'. Das ist ja ein Gütesiegel für eine Zeitschrift, wenn sie international angenommen wird", so Wendel Schäfer, Schriftsteller aus Boppard am Rhein. "Und darum bedauern wir sehr, dass es in dieser Form zumindest nicht mehr weitergeführt werden könnte, sage ich mal im Konjunktiv. Genau weiß man es ja noch gar nicht.“
Momentan werde man auf kleiner Flamme weiter machen, sagt Bruno Kartheuser: "Wir haben noch einige Dinge zu regeln, das Archiv einrichten, aber auch noch einige Bücher publizieren, die in unserem Programm sind, und noch einige Zeitschriftennummern veröffentlichen, als Experiment und Test, aber nicht um noch sehr weit zu laufen."
Ausgabe 70 ist - in einer reduzierten Form - fest eingeplant. Bestehen bleibt auch die Vereinigung Krautgarten. Und darum wird es auch 2017 wieder ein Treffen geben für die Autoren, Unterstützer und Freunde des "Krautgarten".
Stephan Pesch
Das Ende eines Zuschussgeschäftes.