Das Christentum ist das Lebensthema von Anne Rice. Aufgewachsen in einer streng katholischen Familie in der US-Südstaatenmetropole New Orleans sagte sie sich am College von der Religion los. Sie heiratete einen überzeugten Atheisten und schrieb erfolgreich Schauerromane über Vampire, Hexen und Werwölfe.
Dann folgte eine Rückkehr zur katholischen Kirche, doch die Überzeugung hielt nicht an. "Ich bin schon mein ganzes Leben lang besessen von all diesen Dingen und kann nichts schreiben, ohne dass etwas davon einfließt", sagte Rice jüngst dem britischen "Telegraph".
Die Schriftstellerin, die am Dienstag (4. Oktober) 75 Jahre alt wird, hat Krimis, Fantasy- und Horrorstorys und unter Pseudonym auch erotische Romane und Sexschocker verfasst. Den größten Erfolg aber bescherten ihr Vampire. Die Hollywood-Verfilmung von "Interview mit einem Vampir" (1994) mit Tom Cruise und Brad Pitt machte Rice weltberühmt.
Das barocke Gruselstück führt in die okkulte Welt ihrer Heimatstadt New Orleans ein. "Als Schriftsteller leben wir mit der Angst, dass unsere Werke im Film zerhauen werden, aber mit dieser Verfilmung ist genau das Gegenteil passiert", sagte Rice einmal. "Der Film hat sich unglaublich eng an das Buch gehalten."
2005 kehrte Rice, deren Bücher Millionenauflagen erreichen und die zu den meistgelesenen Schriftstellern der Gegenwart gehört, New Orleans den Rücken, um näher bei ihrem Sohn in Kalifornien zu sein. Da war ihr Mann nach mehr als 40 Jahren Ehe gerade an einem Gehirntumor gestorben. Nach New Orleans ist Rice seit dem Umzug nicht mehr zurückgekehrt. "Es würde mich zu traurig machen."
Tochter streng katholischer irischer Einwandere
Geboren wurde sie dort 1941 unter dem Namen Howard Allen O'Brien als Tochter streng katholischer irischer Einwanderer. "Ich wollte selber eine Heilige werden. Ich wollte großartig werden. Ich brannte vor Ehrgeiz. Das normale Leben war nie etwas für mich, daran war ich nie interessiert", erinnert sich Rice. "Und ich wollte auch schon immer Schriftstellerin werden. Auch Violinistin, aber dafür hatte ich weder das Ohr noch das Talent."
Als junges Mädchen verliert sie ihre Mutter, die den Folgen ihrer Alkoholsucht erliegt. Schon in der Schule lernt sie ihren späteren Mann kennen, den Dichter und Maler Stan Rice. Gemeinsam ziehen sie nach San Francisco und bekommen eine Tochter, die wenige Jahre später an Leukämie stirbt. Um den Verlust zu verdrängen, greift Rice zum Alkohol und schreibt wie besessen. In ihrem ersten Erfolgsbuch "Interview mit einem Vampir" setzt sie ihrer gestorbenen Tochter ein Denkmal als kleiner blonder Vampir.
"Ich wusste es damals nicht, aber das Buch handelte nur von meiner Tochter, dem Verlust und davon, dass man weiterleben muss, auch wenn der Glaube zerschmettert ist." Ein ganzer Vampir-Zyklus entsteht und verkauft sich weltweit millionenfach. Es folgen Hexen-Sagen und Bücher über Mumien, Teufel und Engel. Ende der 90er Jahre beschließt Rice überraschend, zum katholischen Glauben zurückzukehren. Obwohl schon 37 Jahre verheiratet, lässt sie sich nachträglich kirchlich trauen. Einige Jahre später stirbt ihr Mann.
Rice selbst bekommt gesundheitliche Probleme, kommt zweimal nur knapp mit dem Leben davon. Zur Überraschung ihrer Fans kündigt sie daraufhin an, nur noch im christlichen Glauben zu schreiben. Sie legt mehrere Bände über Jesus Christus vor, die sich mittelmäßig verkaufen. 2011 dann die erneute Abkehr: Auf Facebook kündigt Rice ihren Austritt aus der katholischen Kirche an. "Seit heute bin ich keine Christin mehr. Schluss damit."
Es sei unmöglich, dieser "streitsüchtigen, feindlichen und zerstrittenen" Gruppe anzugehören. "In Christi Namen weigere ich mich, gegen Schwule zu sein. Ich verweigere mich dem Anti-Feminismus und lehne es ab, künstliche Geburtenkontrolle zu verurteilen." Seitdem schreibt sie auch wieder Vampir-Bücher.
"Ich bin nicht mehr die Atheistin, die ich war, als ich "Interview mit einem Vampir" geschrieben habe, dieses schwarze Buch voller Leid. Dieser Mensch werde ich nie wieder sein. Aber ich bin auch nicht mehr die Christin kurz nach der Bekehrung, als alles noch perfekt scheint." Trotzdem: "In manchen Hinsichten bin ich heute glücklicher als je zuvor."
Von Christina Horsten, dpa - Bild: Melanie Fidler-Flash/EPA