Wir schreiben das Jahr 1512. Es herrscht Aufbruchsstimmung.
Seefahrer entdecken neue Kontinente, Kopernikus findet heraus, dass sich die Planeten um die Sonne drehen, und ein abtrünniger Mönch namens Martin Luther rebelliert offen gegen die katholische Kirche.
Als Gerhard De Kremer Anfang März dieses Jahres in Rupelmonde geboren wird, ahnt wohl noch niemand, dass aus dem Schusterjungen einmal ein Kartograph von Weltrang werden wird.
Als junger Mann lernt Gerhard Latein. Nach damaliger Mode nennt er sich um: aus Kremer, zu Deutsch „Kaufmann“, wird der lateinische Name Mercator. Die großen Schiffe auf der Schelde, die seinen Heimatort Rupelmonde passieren, begeistern den Schüler. Mercator will nicht nur wissen, wie die Welt aussieht, er will sie auch graphisch erfassen.
Die moderne Seefahrt macht heute noch Gebrauch von Mercators Projektionen, erklärt Archäologe Jeroen Van Varenbergh. Als erster hat er es geschafft, die runde Erde ohne Verformungen auf einer flachen Weltkarte graphisch darzustellen.
In der Universitätsstadt Löwen trifft Mercator auf Mathematiker und Kartographen. Von ihnen erhält er die Grundlagen für seine wissenschaftliche Arbeit. Später eröffnet er in der Hafenstadt Antwerpen ein eigenes Geschäft. Mercator zeichnet Karten, baut Globen und sammelt Wegbeschreibungen von Seefahrern.
Weltreisender im Wohnzimmer
Die Welt erkundet er ausschließlich von seinem Schreibtisch aus, sagt Philippe De Maeyer, Professor für Kartographie an der Universität Gent. Um zu Beginn der Neuzeit eine Weltkarte zu zeichnen, nutzte man das Wissen seiner Vorgänger, erklärt De Maeyer - und die geheimen Berichte der Seefahrer, die man sich zum Teil illegal beschaffen musste.
Das Geschäft boomt - bis es zum Eklat kommt: Mercator wird wegen seiner weltoffenen Ansichten der Ketzerei bezichtigt und muss sogar für kurze Zeit ins Gefängnis. Mit 40 Jahren verlässt er dann die südlichen Niederlande, das heutige Belgien, und siedelt nach Deutschland über. In Duisburg entwickelt er den weltberühmten Atlas weiter und veröffentlicht ihn in Buchform. Das Original ist bis heute im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Duisburg zu sehen.
Auch zahlreiche Ausstellungen in Belgien befassen sich derzeit mit Mercator, darunter eine Sonderschau auf dem gleichnamigen Segelschiff im Hafen von Ostende. Bei „Mercator Digitaal“ in Sint-Niklaas wird der Einfluss auf die moderne, digitale Kartographie deutlich. Auf dem Touchscreen erkennt man es sofort, sagt Van Varenbergh. Mercator hat mit seinen Projektionen den Grundstein gelegt für unser modernes GPS-gesteuertes Navigationssystem.
Alles Wissenswerte rund um das Mercator-Jahr finden Sie unter mercator2012.be.
Bild: Dirk Waem (belga)