Was Kulturgüter von Weltrang sind, schien lange Zeit recht schwergewichtig: Die Pyramiden von Giseh etwa oder die von den Taliban zerstörten Buddha-Statuen in Afghanistan.
Shakespeares Werke oder Beethovens Musik fehlen in keinem Kulturkanon, der etwas auf sich hält. Seit ein paar Jahren geht die Weltkulturorganisation Unesco allerdings neue Wege.
Neu: Immaterielle Güter
Seit dem Jahr 2003 lässt sie auch sogenannte immaterielle Kulturgüter schützen. Damit sind etwa Traditionen, Tänze, Bräuche und mündliche Überlieferungen gemeint, die für ein Land oder eine ethnische Gruppe von besonderer Bedeutung sind und als erhaltenswert eingeordnet werden.
In dieser Woche Woche wird in der kenianischen Hauptstadt Nairobi bis Freitag über 47 neue Eintragungen auf der Liste dieses immateriellen Kulturerbes beraten. Beantragt wird eine besondere Anerkennung etwa für die Mittelmeerküche, die Peking-Oper oder die Springprozession im luxemburgischen Echternach. Sind Pizza, Couscous und Gyros demnächst also Weltkulturerbe?
Belgien schlägt Houtem-Jahrmarkt als Weltkulturerbe vor
Hochkultur-Puristen mögen das vielleicht für etwas übertrieben halten, Mediziner dagegen an die gesundheitlichen Vorteile der Ernährung in den Mittelmeerstaaten erinnern. Und die Falknerei, die von mehreren arabischen Staaten, aber auch Belgien, Frankreich und Tschechien gemeinsam als «lebendiges Erbe der Menschheit» vorgeschlagen wird, ist schließlich seit Jahrhunderten aristokratische Freizeitgestaltung.
Schützenswert ist nach Ansicht der Antrag stellenden Länder aber auch Spaniens Flamenco, der belgische Houtem-Jahrmarkt, Teppichknüpfkunst aus dem Iran und Aserbaidschan oder das mongolische Naadam-Festival. Nach Unesco-Definition muss immaterielles Kulturerbe auch in der Gegenwart lebendig sein, identitätsstiftende Wirkung haben und repräsentativ für ein Land oder eine Kulturregion sein.
Über Sinn und Unsinn
Die Wirkungen einer Aufnahme ins Weltkulturerbe dürften unterschiedlich sein. Fast-Food-Fans werden sich durch eine Aufnahme der Mittelmeerküche wohl kaum zu einer Änderung ihrer Ernährungsgewohnheiten verleiten lassen. Kulturfestivals oder regionale Bräuche könnten so aber mehr Aufmerksamkeit erhalten, bis hin zu mehr Einnahmen durch Tourismus. Dass diese Aufmerksamkeit auch ins Gegenteil umschlagen kann, wird nicht zuletzt im diesjährigen Gastgeberland Kenia deutlich.
So werden die Massai, die als einzige der 42 ethnischen Gruppen des Landes seit Jahrhunderten an ihren Traditionen unverändert festhalten, als touristisches Aushängeschild des ostafrikanischen Landes vermarktet - meist ohne selbst etwas davon zu haben. Viele der Tanzgruppen, die abends in Safari-Lodges oder in Küstenhotels auftreten, sind nicht einmal echte Massai.
Die Tänze selbst, in den Dörfern Teil oft mehrtägiger Zeremonien, sind bei solchen Auftritten nur Akrobatik, deren eigentliche Bedeutung den Zuschauern verschlossen bleibt - austauschbare Afrika-Exotik eben, wie auch die serienmäßig hergestellten Holzmasken, die aus dem Kongo oder Westafrika ihren Weg in die Touristenläden von Mombasa oder Nairobi gefunden haben.
dpa/jd - Bild:LuWo