Ihm ist eine Laus über die Leber gelaufen (er ist verärgert): Wieder so eine biologisch-medizinische Ungereimtheit! Die Leber galt früher als der Sitz der Leidenschaft und die Laus ist hier das Sinnbild eines kleinen Übels. Übrigens: Ein Lausbub muss nicht unbedingt Läuse haben!
Gut gebrüllt, Löwe! (Das hast du gut gesagt!) ist die Übersetzung von well roared lion!, ein Zitat aus Shakespeares Sommernachtstraum.
Sich in die Höhle des Löwen wagen (sich in eine gefährliche Lage begeben): In einer Fabel des Äsopus lädt ein sich krank stellender Löwe einen Fuchs ein, ihn zu besuchen. Als der Fuchs sieht, dass viele Spuren in die Höhle führen, aber keine hinaus, lehnt er die Einladung dankend ab. Das Problem mit dieser Redensart ist nur, dass Löwen nicht in Höhlen wohnen. Wohl Berglöwen (Pumas), aber das sind keine richtigen Löwen!
Der Berg kreißte und gebar eine Maus (das lächerliche Resultat entsprach nicht den Erwartungen): Kreißen bedeutet 'in Geburtswehen liegen'. Diese Redensart findet man schon bei Horatius: Partiriunt montes, nascetur ridiculus mus.
Da beißt die Maus keinen Faden ab (das hilft alles nichts, es muss sein!): Die Herkunft steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit der heiligen Gertrud von Nivelles (626-659). Der Gertrudentag, der 17. März, galt als Frühlingsanfang, an dem mit dem Bestellen der Felder, der Gartenarbeiten oder ähnlichen Tätigkeiten begonnen werden sollte. Hatte man nun seine Winterarbeiten, wie das Spinnen, bis zum Gertrudentag noch nicht beendet, so glaubte man, der Faden müsse nun von den Mäusen zerfressen werden. Nach einer anderen Deutung bezog sich diese Redensart auf Mausefallen im Feld, die zuschnappten, wenn die Maus den für eine Wurzel gehaltenen Faden anknabberte.' (Wahrig).
Mit Mann und Maus untergehen (mit der gesamten Besatzung sterben): Man könnte hier glauben, dass es sich tatsächlich um Mäuse handelt, die man ja auf jedem Schiff findet. Es scheint sich jedoch bei Maus um die Verballhornung des niederländischen Wortes meisje (Mädchen) zu handeln. Man meint also: Alle, Männer und Frauen gehen unter.
Übrigens: Ein leckeres Mäuschen verwandelt sich manchmal in ein kratzbürstiges Kätzchen.
Du kriegst die Motten! (Das ist erstaunlich!): Zuerst hatte diese Redensart eine zynische Bedeutung, denn sie bezog sich auf die in einem Sanatorium aufgenommenen Lungenkranken, deren Lungen wie von Motten zerfressen waren. Wenn man die Motten kriegt, helfen auch keine Mottenkugeln!
Ich hab' schon Pferde kotzen sehen! (Ich hab schon unwahrscheinlichere Dinge gesehen!): Wirklich sehr unwahrscheinlich, denn Pferde können nicht kotzen.
Mit ihm kann man Pferde stehlen (Mit ihm kann man viel Gefährliches unternehmen): Früher war Pferdediebstahl eins der schwersten Verbrechen, das sogar manchmal (im Wilden Westen immer) mit dem Tode bestraft wurde.
Die Sache hat einen Pferdefuß! (Es gibt einen verborgenen Nachteil): Man denkt an den Teufel, der bekanntlich einen Pferdefuß hat.
Ihn sticht der Hafer (Er ist übermütig): Wenn man einem Pferd zu viel Hafer zu fressen gibt, kann es Verdauungsprobleme kriegen und ist dann schwer zu zähmen.
Jemanden an die Kandare nehmen (ihn strenger behandeln): Gemeint ist die Kandare des Pferdes, die man strenger anzieht.
Auch über die Stränge schlagen (leichtsinnig sein, aus der gewohnten Ordnung ausbrechen) hat etwas mit Pferden zu tun: Die Stränge (Ahd. strang = Strick, Seil) sind hier die Zügel. Junge Pferde springen manchmal so wild, dass die Zügel durcheinandergeraten.
In etwas tun, was das Zeug hält (etwas mit allen Kräften tun), sich für jemanden ins Zeug legen (sich für jemanden einsetzen) und jemandem etwas ans Zeug flicken (jemandem übel mitspielen) sind ebenfalls Pferde mit im Spiel, denn Zeug bedeutet hier Pferdegeschirr. Bei der dritten Redewendung kann man auch an jemanden denken, der sich an jemandes Kleidung zu schaffen macht.
In jemandem die Zügel schießen lassen (nicht mehr so streng sein) bedeutet 'Schießen lassen' loslassen.
Das ist unter aller Sau! (Das ist sehr schlecht!): Hier ist kein Schwein im Spiel, sondern das jiddische seo, das Maßstab bedeutet.
Die Sau rauslassen (sich auf grobe Weise amüsieren; sich hemmungslos gehen lassen): Im Mittelalter gebrauchte man manchmal den Schweinestall, um ein Fest zu organisieren. Natürlich mussten dann zuerst die Schweine rausgelassen werden.
Seine Schäfchen im Trockenen haben (ausgesorgt haben): Einige meinen, bei Schäfchen handele es sich um die Verballhornung der niederländischen dialektischen Form scheppken, also Schiffe, die man vor dem Sturm behütet, indem man sie an Land zieht. Andere sind der Ansicht, es seien tatsächlich Schafe, die man ins Trockene bringt, weil sie von einer Überschwemmung bedroht sind. Um politisch korrekt zu sein, dürfte man eigentlich auch nicht mehr das schwarze Schaf sagen.
Den Amtsschimmel reiten (auf übertriebene amtliche Formen bestehen): Hierfür gibt es zwei mögliche Erklärungen: Schimmel könnte abgeleitet sein von lateinisch simile (ähnlich). Dieser Deutung zufolge handelte es sich ursprünglich um die vorgedruckten Musterexemplare der Verwaltung, von denen nicht abgewichen werden durfte. Eine andere Erklärung sieht den Ursprung dieser Redensart in den berittenen Amtsboden, die den Leuten auf dem Land die Verordnungen überbrachten. Frage: Kann man auf einem Amtsschimmel Paragraphen reiten?
Das war sein Schwanengesang (sein letztes Werk oder sein letzter Auftritt): Die alten Griechen glaubten, dass sterbende Schwäne melodische Töne von sich gaben.
Schwein haben (Glück haben): In gewissen Kartenspielen (auch heute noch in Süddeutschland) nannte man das Ass Schwein.
Wenn jemand Sie böse fragt: Haben wir zusammen die Schweine gehütet?, antworten Sie ganz ruhig: 'Nein, das müssen Sie allein getan haben!'
Spinne am Morgen bringt Kummer und Sorgen, Spinne am Abend erquickend und labend: Erstens sind alle Spinnen, ob morgens oder abends, der Hausfrau (und nicht nur ihr!) ein Greuel. Zweitens: Soll das heißen, dass man jetzt am Abend Spinnen fressen soll? Bei den Insektenmahlzeiten, die man uns für die Zukunft verspricht, weiß man ja nie! Zum Glück haben diese Spinnen nichts mit den haarigen Tierchen zu tun, sondern mit dem Spinnen am Spinnrad.
Manches hohe Tier hat schon den Orden wider den tierischen Ernst bekommen.
Einen Vogel haben (verrückt sein): Die Franzosen sagen: Avoir une araignée au plafond. Früher glaubte man, Verrückte hätten irgendein Tier im Kopf. Wenn Sie einen Vogel haben, sollten Sie auch wissen, ob es eine Meise ist.
Den Vogel abgeschossen haben (die beste Leistung erbracht haben; einen dummen Fehler gemacht haben): Dies bezieht sich natürlich auf Schützenvereine, die beim Wettschießen einen hölzernen Vogel abschießen müssen.
Siegfried Theissen