„A Quiet Place“ ist der Titel der 1984 von Leonard Bernstein geschriebenen Oper, die eine Art Fortsetzung von „Trouble in Tahiti“ ist. „A Quiet place“ ist alles andere als eine heile Welt, es ist ein Familiendrama, wie es auch in amerikanischen Kino der fünfziger Jahre erzählt wurde. Bei der Figur des Sohnes Junior kommt man nicht umhin an James Dean zu denken und man stellt sich die Frage: Hat sich im Lauf der Jahrzehnte wirklich soviel verändert?
Im Einakter „Trouble in Tahiti“, den die Regisseurin Nina Russi sehr geschickt nach dem ersten Akt von „A Quiet Place“ als Zwischenspiel einschiebt, erleben wir Sam und Dinah als junges Ehepaar. Er ist erfolgreicher Geschäftsmann, sie die einsame Ehefrau, der es oberflächlich an nichts fehlt, aber ihr Glück findet sie nur im seichten Unterhaltungsprogramm des Fernsehens.
Der Sohn Junior erlebt als stummer Zeuge diese trostlos traurige Familiengeschichte, die ironisch von einem Swingtrio mit Popsongs kommentiert wird. Dieser Bruch zwischen tragischer Handlung und musikalischem Witz und teils auch gewolltem Kitsch findet man auch in der Folgegeschichte „A Quiet Place“.
Wir sind dreißig Jahre später. Dinah ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, es war wahrscheinlich sogar Selbstmord. Die Familie trifft sich am Totenbett wieder und die Dämonen der Vergangenheit tauchen wieder auf.
Junior und seine zehn Jahre jüngere Schwester Dede hatten wohl eine inzestiöse Beziehung. Junior, der offen seine Homosexualität auslebt, was Vater Sam nur schwer oder gar nicht akzeptiert, hatte auch ein Verhältnis zu Dedes Ehemann François, bevor diese beiden ein Paar wurden.
Die Atmosphäre ist mehr als gereizt und die Familienmitglieder können sich in dem von Mathis Neidhardt gebauten Bühnenbild nicht aus dem Weg gehen. Es ist Sams Haus in dem man sich wiederfindet, genial auf der Drehbühne aufgebaut, selten hat diese so sehr ihren Zweck erfüllt. Es hat schon etwas klaustrophobisches und wirkt in ihren Möbeln und Tapeten so trostlos rückwärtsgewandt.
Die Regisseurin Nina Russi hat es verstanden, jede Figur so treffend zu charakterisieren, da ist nichts übertrieben, alles ist so glaubhaft, und damit auch so unendlich traurig. Der einzige Trost bringende Moment, als die Familie den Abschiedsbrief Dinahs liest, in dem sie ihrer Hoffnung Ausdruck gibt, dass ihr Tod vielleicht die Familie wieder zusammenführt, ist eine fast slapstickartige Unterbrechung.
Aber das Geniale an Bernsteins Werk ist, dass die Musik, die meist sehr gemäßigt modern klingt, immer wieder von den Songqualitäten des Komponisten profitiert. Da klingt immer wieder die „West Side Story“ durch, vor allem wird man an „Somewhere“ erinnert.
Das Sinfonieorchester Aachen unter der Leitung von Christopher Ward liefert eine mehr als solide Interpretation, das hat Jazz-Feeling, ist energiegeladen und wenn nötig voller Melancholie. Und das Solistenensemble ist überragend. Da gibt es keinen einzigen Ausfall. Bravo für diese Leistung!
Ronan Collett singt trotz vor der Aufführung vermeldeter Erkrankung eindrucksvoll den jungen Sam, mindestens ebenso überzeugend ist Wieland Sattler als gealterter Sam in „A Quiet Place“. Fanny Lustaud spielt und singt die junge Dinah mit dem punktgenauen Sexappeal der fünfziger Jahre.
Der aus Raeren stammende Fabio Lesuisse ist perfekt als Junior. Wie ein Wirbelwind jagt er über die Bühne und die Möbel, singt mit engagiertem Bariton. Es ist schön zu sehen, wie der junge Mann in dieser Rolle alles gibt und Hoffnung macht für die Zukunft.
Nicht unerwähnt darf auch Evmorfia Metaxaki bleiben, die als Dede einsprang und Katharina Hagopian, die bereits am Premierenabend krankheitsbedingt absagen musste, vom Bühnenrand hervorragend ersetzte, während Regieassistentin Clara Hinterberger auf der Bühne agierte.
„Trouble in Tahiti“ und „A Quite Place“ ist ein sehr lohnenswerter Musiktheaterabend, der nicht nur reine Opernfreunde begeistern dürfte. Bis zum 17. Mai steht das Bernstein-Doppel auf dem Programm des Theater Aachen.
Hans Reul