Im Wahrig stehen zig Redensarten mit Kopf, die fast alle so transparent sind, dass man sie nicht zu erklären braucht. Einige jedoch sollte man kommentieren oder wenigstens den Leserinnen und Lesern (wieder einmal politisch korrekt!) deren Herkunft mitteilen.
Mit dem Kopf durch die Wand wollen (unbedingt erreichen wollen, was man sich vorgenommen hat) bedarf zwar keiner Erklärung, aber es scheint mir doch eine fragwürdige Redensart, weil sie nicht leicht in die Praxis umzusetzen ist: Wie soll denn das gehen? Vielleicht schaffen Sie das, aber dann ist doch wenigstens Ihr Kopf lädiert! Es sei denn, Sie leben in Japan, wo ja bekanntlich die Wände (wenigstens die Innenwände) aus Papier sind. Könnte auch in einigen Hotels klappen, wo die Wände so dünn sind, dass man den Nachbarn atmen hört. Vom Rest will ich nicht reden!
Ein Brett vorm Kopf haben (beschränkt, begriffsstutzig sein) scheint mir auch nicht gang und gäbe zu sein, obwohl ich das einmal bei einer Fahrt zur Uni Köln gesehen habe: Da hielt ein Fahrgast in einem Taxi ein Brett hochkant zwischen seinen Beinen und vor seiner Nase. Er hatte also wörtlich ein Brett vorm Kopf. Die Herkunft dürfte nicht jedem bekannt sein: Mit dem Brett ist das Joch des Zugochsen gemeint und Ochsen gelten ja nicht als besonders schlau, vielleicht übrigens zu Unrecht!
Wie ist jemandem den Kopf waschen (jemanden energisch zurechtweisen) zu seiner negativen Bedeutung gekommen? Das war so: Im Mittelalter war dies lang nicht so angenehm wie heute. Nach dem Einseifen rieb der Bader nämlich die Kopfhaut, um sie zu säubern, mit Kleie ein, was bei einer oft durch Krätze empfindlich gewordenen Kopfhaut sehr schmerzhaft sein konnte.
Den Nagel auf den Kopf treffen (eine Sache richtig beurteilen) hat nichts mit einem Nagel zu tun, den man gerade in die Wand schlagen will. Diese Redensart stammt aus der Schützensprache: Es handelt sich um den Nagel im Mittelpunkt der Schießscheibe. Den Kopf in den Sand stecken (sich der Wirklichkeit verschließen, also Vogel-Strauß-Politik betreiben) fußt auf einer Legende, nach der ein Strauß den Kopf in den Sand steckt, wenn er bei einer Verfolgung nicht gesehen werden will.
Sich um Kopf und Kragen reden (zu viel reden und dadurch Gefahr laufen, sein Leben zu verlieren) mutet auf den ersten Blick eigenartig an, denn wenn man schon (wörtlich genommen) den Kopf verliert, dann spielt der Verlust des Kragens auch keine Rolle mehr. Wenn man nun aber weiß, dass Kragen im Mittelhochdeutschen auch Hals bedeuten konnte (ein Geizkragen ist ein Geizhals), dann macht diese Redensart schon Sinn. Bei Kopf und Kragen handelt es sich übrigens um eine sogenannte Zwillingsform, wie Handel und Wandel, gang und gäbe, Knall und Fall, von denen es Hunderte gibt, aber mit deren Struktur beschäftigen wir uns ein andermal.
Die meisten Redensarten darf man nicht wörtlich nehmen: Wenn man seinen Schreibtisch auf den Kopf stellt, heißt das nicht, dass man ihn mit der Schreibtischplatte nach unten gelegt hat. Jemandem den Kopf verdrehen könnte auch als Körperverletzung angesehen werden. Sich etwas aus dem Kopf schlagen: Wie genau soll das vor sich gehen? Sich nicht auf dem Kopf herumtanzen lassen. Scheint mir unwahrscheinlich! Wer Köpfchen hat, kann trotzdem ein Dickkopf sein.
Wenn man an Kopf denkt, dann sind die Haare (meistens) nicht weit. Auch hier sind die meisten Redensarten leicht verständlich, obwohl man bei einigen die moralische Stirn runzeln darf, z.B. bei an den Haaren herbeigezogen. Wer tut denn sowas? Wer das bei seiner Frau macht, dem droht die Scheidung und wer seine Kinder an den Haaren herbeizieht, der landet im Gefängnis! Haare auf den Zähnen haben (scharf antworten können) scheint mir ein Ding der Unmöglichkeit (wird ihnen jeder Zahnarzt bestätigen!), es sei denn bei einem Werwolf, aber gibt es den? Bemerkenswert ist, dass diese Redensart (tut mir leid!) nur auf Frauen angewendet wird.
Nur an einem Haar hängen (nur von einer Kleinigkeit abhängen) bedarf einer Erklärung: Es handelt sich um das Haar, an dem das Schwert des Damokles hing: Der Tyrann von Syrakus hatte einst bei einem Gastmahl über dem Kopf seines Höflings Damokles, der Macht, Reichtum und Glück des Herrschers überschwänglich gelobt hatte, ein scharfes Schwert an einem Pferdehaar aufhängen lassen, um drastisch die Vergänglichkeit allen Lebens und die Gefahr anzudeuten, in der auch der Mächtigste zu jeder Zeit schwebt (nach Kurt Krüger-Lorenzen, Deutsche Redensarten und was dahinter steckt, VMA-Verlag, Wiesbaden, 1960).
Zuletzt noch ein Ding der Unmöglichkeit: Haare spalten. Die französische Entsprechung 'couper les cheveux en quatre' ginge ja noch an, aber spalten? Das sollte mal jemand versuchen!
Siegfried Theissen