Einige Redensarten mit Rot sind es wert, erklärt zu werden, z.B. das ist für ihn das rote Tuch (das regt ihn bis zum Äußersten auf). Jeder weiß, dass dies das rote Tuch ist, das der Torero im Stierkampf schwenkt, um den Stier dazu zu bringen, ihn anzugreifen. Der Witz ist nur, dass ein blaues oder ein schwarzes Tuch genau denselben Effekt haben würde, denn es ist nicht die rote Farbe als solche, die den Stier reizt, sondern die Bewegung des Tuches.
Jeder versteht auch, was gemeint ist mit etwas rot im Kalender anstreichen, aber die Herkunft dürfte nicht jedem bekannt sein: Die römischen Rechtslehrer pflegten wichtige Überschriften mit roter Tinte zu schreiben. Daher rührt die Sitte, die Sonn- und Festtage in unseren Kalendern rot zu drucken.
Interessant ist auch die Herkunft des roten Fadens (der Leitgedanke in einer Geschichte): Die englische Marine hatte in all ihren Schiffsseilen einen roten Faden einweben lassen, damit auch jeder wisse, dass es sich um das Eigentum seiner Majestät handelt.
Wenn man jemandem den roten Hahn aufs Dach setzt, steckt man ihm sein Haus in Brand. Der rote Hahn ersetzt hier den Wetterhahn und symbolisiert das Feuer. Und damit haben wir auch schon den Übergang zum nächsten Thema: das Feuer. Aber zuerst noch zwei liberale Sprichwörter: Lieber rot als tot und Heute rot, morgen tot.
Die Bedeutung von für jemanden die Kastanien aus dem Feuer holen dürfte jedem bekannt sein. Es ist aber interessant zu wissen, dass diese Redewendung in einer orientalischen Fabel wurzelt, die erst durch La Fontaine bekannt geworden ist: Ein Affe bewegt eine Katze dazu, geröstete Kastanien aus dem Feuer zu holen, Kastanien, die er sofort selber auffrisst.
Die Feuertaufe erhalten bedeutet zwar jetzt "zum ersten Mal an einem Gefecht teilnehmen", aber der Ursprung hat nichts mit Krieg zu tun, sondern mit dem Feuer des Heiligen Geistes während der Pfingsttaufe.
Für die Redewendung für jemanden durchs Feuer gehen (bereit sein, alles für jemanden zu tun) gibt es gleich zwei mögliche Deutungen: Man könnte an das mittelalterliche Gottesurteil denken, bei dem man beweisen musste, dass man unschuldig war, indem man unversehrt durch Feuer gehen konnte. Indische Derwische, die übrigens auch auf glühenden Kohlen sitzen können, hätten diese Prüfung glänzend bestanden! Man kann aber auch an jemanden denken, der in ein brennendes Haus rennt, um jemanden zu retten.
Öl ins Feuer gießen und gebranntes Kind scheut das Feuer braucht man nicht weiter zu erklären. Interessant ist jedoch, dass man sich bei den Franzosen erst gar nicht zu verbrennen braucht, denn deren Sprichwort lautet: Chat échaudé craint l'eau froide. Die Katze, die sich verbrüht hat, fürchtet also sogar das kalte Wasser!
Jemandem Feuer unter dem Hintern machen bedarf keiner weiteren Erklärung, sollte jedoch nicht in die Praxis umgesetzt werden. Das hat man im Dreißigjährigen Krieg schon zur Genüge getan!
Man sollte auch aufpassen, wenn man Feuer und Flamme für eine Frau ist (besonders wenn es eine alte Flamme ist). Es ist dann besser, nicht abgebrannt zu sein und ratsam wäre es, nichts anbrennen zu lassen, besonders wenn sie einen schon angemacht hat. Es könnte nämlich sein, dass sie einem die Hölle heiß macht. Das ist eine eigenartige Redensart, denn ich habe immer gedacht, dass die Hölle schon heiß ist, dass man sie also nicht erst heiß machen muss!
Das Feuer kommt auch vor in einem berühmten Sprichwort: Kein Rauch ohne Feuer! Das ist das Unwahrste aller Sprichwörter und auch das Gefährlichste, denn es kann immer als billige Entschuldigung gebraucht werden, um jedes noch so dumme Gerücht zu glauben. Übrigens ist jeder Chemiker imstande, Rauch ohne Feuer zu produzieren.
Da wir gerade bei unwahren Sprichwörtern sind: Das Zweitdümmste ist Ausnahmen bestätigen die Regel. Man kann es drehen und wenden, wie man will, Ausnahmen sind und bleiben Ausnahmen. Sie bestätigen die Regel nicht, sondern machen uns darauf aufmerksam, dass es eine Regel gibt, die wir vielleicht sonst nicht bemerkt hätten, aber eben eine Regel mit Ausnahmen!
Beim nächsten Mal nehmen wir Redensarten, in denen der Kopf eine Rolle spielt, unter die Lupe.
Siegfried Theissen