Bei einer Gedenkzeremonie an der Reaktorruine von Tschernobyl hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den internationalen Geldgebern für ihre wichtige Hilfe gedankt. Der Super-GAU vom 26. April 1986 sei eine der größten technischen Katastrophen in der Geschichte der Menschheit, sagte Poroschenko am Dienstag, dem 30. Jahrestag der verheerenden Kernschmelze.
An der Zeremonie in der Nähe der im Bau befindlichen neuen Schutzhülle für den havarierten Reaktor nahm auch der Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), Suma Chakrabarti, teil. Die EBRD trägt wesentlich zur Finanzierung des neuen "Sarkophags" bei. Von internationalen Gebern waren am Montag weitere 87,5 Millionen Euro für Tschernobyl-Projekte bewilligt worden. Allein der neue Stahlbogen soll 2,2 Milliarden Euro kosten.
Poroschenko bekräftigte sein Vertrauen in die zivile Nutzung der Kernenergie. Die Ukraine könne auch in naher Zukunft nicht auf Atomkraft verzichten, sagte er. Poroschenko mahnte aber "harte und effektive Maßnahmen bei der Sicherheit" an. Umweltorganisationen wie Greenpeace forderten von der prowestlichen Regierung in Kiew am Jahrestag ein Umdenken. Experten halten einen Ausstieg der Ukraine aber erst in 15 Jahren für möglich.
In Moskau würdigte Präsident Wladimir Putin den Mut der damaligen Helfer. "Tschernobyl ist eine ernste Lehre für die ganze Menschheit geworden, und die Folgen hallen wie ein raues Echo bis heute nach - auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen", betonte Putin in einem Schreiben. Hunderttausende Helfer aus der Sowjetunion hatten 1986 versucht, die Strahlung einzudämmen. "Viele von ihnen haben ihr eigenes Leben geopfert, um andere zu retten", meinte der Kremlchef.
In Tschernobyl war damals Reaktorblock vier bei einer Übung explodiert. Eine kilometerhohe Feuersbrunst wirbelte radioaktive Teilchen in die Luft, die Strahlung war 400 Mal stärker als beim US-Atombombenabwurf auf die japanische Stadt Hiroshima 1945. Von der Ukraine breitete sich die Wolke über weite Teile Westeuropas aus. Bis heute sind Böden mit radioaktiven Stoffen belastet. Mindestens 10.000 Menschen starben Schätzungen zufolge an den Folgen.
Der Chef der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), Yukiya Amano, erinnerte in Wien an den Unfall vor 30 Jahren. Trotz aller Tragik habe die Katastrophe auch den Informationsaustausch zwischen den IAEA-Mitgliedsstaaten deutlich verbessert, betonte er. Trotzdem dürften sich die Staaten nicht ausruhen. Atomare Sicherheit könne niemals als selbstverständlich angesehen werden, mahnte er.
30 Jahre nach dem verheerenden Unfall im Nachbarland Ukraine hat Atomenergie für viele Russen offenbar ihren Schrecken verloren. Einer aktuellen Umfrage zufolge halten knapp Zweidrittel eine Atomkatastrophe in Russland für unwahrscheinlich. Hingegen schließen 28 Prozent der Befragten einen neuen Reaktorunfall nicht aus, wie das staatsnahe Meinungsforschungsinstitut WZIOM mitteilte.
dpa/mh/km - Bild: Genya Savilov/AFP