Auf der koreanischen Halbinsel herrscht angesichts der jüngsten Spannungen nach dem Untergang eines südkoreanischen Kriegsschiffes wieder diplomatische Eiszeit. Doch überrascht reagierten die Südkoreaner nicht auf die Erklärung Nordkoreas vom späten Dienstagabend, alle Beziehungen und Kommunikationsverbindungen einzufrieren - geschweige denn, dass sich die Regierung in Seoul davon einschüchtern ließe.
Schiffe versenken
Am Mittwoch teilte das Vereinigungsministerium mit, dass Seoul trotz der Schritte des Nordens seine Strafmaßnahmen gegen das Nachbarland unbeirrt umsetzen werde. Der Süden bezichtigt den Norden, das Schiff versenkt zu haben. Eine internationale Kommission kam zum selben Ergebnis. Die Sanktionen, darunter die Eintstellung des Handels, hatte Südkoreas Präsident Lee Myung Bak am Montag angekündigt. Auf den Handelsstopp des Südens folgte nun der Kommunikationsstopp des Nordens.
Nordkoreas Schritte werden in Seoul als weitere Eskalationsstufe gesehen. Seit der Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse eines internationalen Expertenteams zu dem Seezwischenfall in der vergangenen Woche befinden sich beide Seiten auf gefährlichem Konfrontationskurs. In dem Bericht wird die Schiffstragödie im März mit 46 Toten auf einen Angriff aus Nordkorea zurückgeführt. Das Land brandmarkte die Ergebnisse als Fälschung der südkoreanischen Regierung und drohte in üblicher Manier mit Krieg.
Härtere Gangart
Erschwert wird die Situation nach Meinung von Beobachtern dadurch, dass im Prinzip schon seit mehr als zwei Jahren Funkstille auf Regierungsebene herrscht. Südkoreas konservativer Präsident Lee Myung Bak vertritt eine härtere Gangart gegenüber dem Regime in Pjöngjang als die liberale Vorgängerregierung. Nordkorea hatte den Dialog schon nach dem Amtsantritt Lees im Februar 2008 abgebrochen. Zwar hatte sich Pjöngjang im August des vergangenen Jahres wieder vorsichtig angenähert. Doch waren diese Versuche aus der Sicht Südkoreas rein taktischer Natur. Seoul reagierte entsprechend distanziert in der Annahme, dass die Zeit ohnehin für das wirtschaftlich prosperierende Südkorea läuft. Dann kam der Seezwischenfall, durch den sich die Spannungen entschieden verschärft haben.
Gemeinsamer Industriepark
Doch trotz der Konfrontation schienen beide Länder noch nicht gewillt, alle Brücken sofort abzubauen. Am Mittwoch wies Nordkorea zwar acht südkoreanische Regierungsbeamte aus dem gemeinsamen Industriepark in der nordkoreanischen Grenzstadt Kaesong aus. Doch die Einreise für südkoreanische Pendler wurde noch nicht blockiert. Dahinter sehen Beobachter zwei Gründe: Erstens, Nordkorea würde mit der Schließung von Kaesong eine wichtige Deviseneinnahmequelle verlieren. Zweitens, das letzte verbliebene Kooperationsprojekt könnte noch als diplomatische Manövriermasse wichtig werden.
Auch Südkorea hat das Projekt bewusst von den Strafmaßnahmen ausgenommen. Als Signal, dass man die Situation nicht eskalieren lassen wolle, sagten Regierungsbeamte. Allerdings befürchten die Unternehmen, dass die Regierungen beider Länder eine Schließung in Kauf nehmen. Die Spannungen machen es immer schwieriger, den Industriepark zu erhalten. Nordkorea drohte jetzt mit einer Zugangssperre, falls Südkorea wieder Propaganda-Durchsagen an der Grenze aufnehmen sollte. Das würde praktisch einer Schließung gleichkommen, da auch keine Rohstoffe mehr angeliefert werden könnten.
Für viele Unternehmer, die bisher Handel mit Nordkorea trieben, ist bereits der Handelsstopp ein Schock. Er hoffe, dass die Beziehungen die gegenwärtige Krise überstehen, sagte Park Young Il, ein Importeur von Landwirtschaftsprodukten aus Nordkorea, der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap. «Der Schock sitzt tief bei Leuten wie uns, die in dem Glauben sehr stolz waren, Pioniere auf dem Weg zur Wiedervereinigung zu sein.»
Dirk Godder (dpa) - Bild: epa