In Ungarn können die Bürger künftig auch am Sonntag wieder uneingeschränkt einkaufen. Die Regierung des rechts-konservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban nimmt das in der Bevölkerung unbeliebte Ladenschlussgesetz zurück, das die Sonntagsöffnung vieler Geschäfte seit einem Jahr untersagte.
Die Regierung wendet damit eine Volksabstimmung ab, die die Opposition gegen den Ladenschluss auf den Weg gebracht hat. Das Parlament könnte die Rücknahme bereits an diesem Dienstag beschließen, kündigte Orbans Kabinettschef Antal Rogan am Montag vor Journalisten in Budapest an.
Seit der Wende vor 25 Jahren waren es die Ungarn gewohnt, dass Läden und Geschäfte ihre Öffnungszeiten ohne Einschränkungen gestalten konnten. Orban hatte die Abschaffung der liberalen Regelung mit "christlichen Werten" und dem "Schutz der Familien" begründet. Motiviert hatte ihn aber auch der Wunsch, ausländische Handelsketten zu schwächen, die mit ihren Einkaufszentren an den Sonntagen gute Umsätze verbuchten.
Tatsächlich waren kleinere Läden und die Franchise-Geschäfte einer ungarischen Kette vom Sonntags-Ladenschluss ausgenommen. "Die Umsätze verlagerten sich im letzten Jahr von den größeren zu den kleineren Geschäften", sagte Wirtschaftsminister Mihaly Varga am Montag auf der Pressekonferenz mit Rogan. "Doch am wichtigsten ist schließlich, was die Menschen darüber denken", fügte er hinzu.
Große Mehrheiten gegen geltende Sonntagsregelung für Einzelhandel
In Meinungsumfragen hatten sich immer wieder große Mehrheiten gegen die geltende Sonntagsregelung für den Einzelhandel ausgesprochen. Die Opposition versuchte mehrfach, eine Volksabstimmung auf den Weg zu bringen. Dabei kamen ihr aber stets Anhänger von Orbans Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten) zuvor, die Fragen zum selben Thema einreichten und weitere Schritte damit blockierten, so lange die Wahlkommission und das Oberste Gericht damit befasst waren.
Zuletzt war im Februar Istvan Nyako, ein Politiker der oppositionellen Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP), von Fußball-Hooligans daran gehindert worden, bei der Wahlkommission rechtzeitig ein Volksbegehren einzureichen. Das Oberste Gericht hatte am Mittwoch vergangener Woche entschieden, dass dies illegal war.
Zugleich erklärte es das Volksbegehren der Oppositionellen für rechtens. Diese konnten nun damit beginnen, 200.000 Unterschriften zu sammeln, um eine Volksabstimmung herbeizuführen. Mit der Rücknahme des Ladenschlussgesetzes wird das Volksbegehren obsolet. "Die Regierung hat uns aus politischer Angst vor der Niederlage bei einer Volksabstimmung die Freiheit des Sonntagseinkaufs zurückgegeben", kommentierte Nyako die letztlich überraschende Entwicklung.
Orban regiert seit 2010 in Ungarn. Kritiker - aber auch die EU - werfen ihm autoritäre Tendenzen vor. Bisher hat er erst einmal nachgegeben, nachdem sich scharfer Widerstand gegen seine Politik formiert hatte: Im Herbst 2014 nahm er nach Massenprotesten seine Pläne vom Tisch, den Datenverkehr im Internet zu besteuern.
dpa/mh/sr - Bild: Attila Kisbenedek/AFP