Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras hat im Parlament für die geplante Rentenreform geworben und das Vorhaben verteidigt. "Die Rentenreform ist notwendig - nicht in erster Linie, weil die Gläubiger sie verlangen, sondern weil das System nicht tragfähig ist", sagte Tsipras am Dienstagabend vor den Abgeordneten. "Wir haben hier ein Problem, das irgendwann explodieren wird, wenn wir nichts tun."
Im Grundsatz stimmten dieser Einschätzung auch die Oppositionsparteien zu. Dennoch kritisierten sie die amtierende Links-Rechtsregierung während der stundenlangen Debatte hart für die geplanten Maßnahmen. Finanziert werden soll die Reform unter anderem durch höhere Abgaben und Steuern für Landwirte und Freiberufler.
Sowohl Sozialisten als auch Konservative fürchten, dass die höheren Abgaben die Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung fördern könnten und kritisieren darüber hinaus, dass die Reform keine Gerechtigkeit schaffe.
Die Reform des griechischen Rentensystems ist ein wesentlicher Bestandteil der Vereinbarung der Regierung in Athen mit den europäischen Verhandlungspartnern, um weitere finanzielle Unterstützung für das pleitebedrohte Land zu sichern. Vorgesehen ist unter anderem, neue Renten um bis zu 15 Prozent zu kürzen. Vor dem Parlamentsgebäude protestierten am Abend mehr als 5000 Menschen gegen die Reform.
Die Einnahmen der griechischen Rentenkassen waren in den vergangenen Krisenjahren dramatisch geschrumpft, unter anderem weil die Arbeitslosigkeit auf rund 25 Prozent stieg. Oppositionschef Kyriakos Mitsotakis, der als neuer Vorsitzender der konservativen Partei Nea Dimokratia (ND) an der Debatte teilnahm, rechnete vor, dass inzwischen auf einen Rentner nur noch 1,3 Beitragszahler kämen.
Nicht zuletzt deshalb stellten die Oppositionspolitiker bei der Debatte immer wieder die Nachhaltigkeit der geplanten Reform infrage: Sie bezweifeln, dass es der Regierung Tsipras gelingen wird, wie geplant zumindest jene Renten stabil zu halten, die derzeit bereits ausgezahlt werden. Dazu reiche der Haushalt nicht aus, heißt es.
Streiks gegen Rentenreform weiten sich in Griechenland aus
Aus Protest gegen ein neues Rentenreformgesetz und neue Steuern sind am Dienstag erneut Tausende Landwirte in Griechenland auf die Straßen gegangen. Zudem werden am Mittwoch und Donnerstag keine Fähren aus Piräus und anderen Häfen des Landes auslaufen. Dies teilte die Gewerkschaft der Seeleute am Dienstag mit. Damit bleiben zahlreiche Inseln, die keinen Flughafen haben, von der Außenwelt abgeschnitten. Auch Freischaffende laufen gegen die Rentenreform Sturm.
Die Rentenreform sieht unter anderem Kürzungen von neuen Renten in Höhe von mindestens 15 Prozent vor. Auch Freischaffende werden zur Kasse gebeten. Aus Sicht der Verbände werden Rechtsanwälte, Notare und Ärzte sowie Apotheker "ruiniert". In ihrer Mehrheit müssen Freischaffende laut neuem Gesetz knapp 70 Prozent ihres Einkommens für die Renten- und Krankenkassenbeiträge sowie als Steuern zahlen. "Ein junger Rechtsanwalt, der 20.000 Euro im Jahr verdient, muss demnach fast 14.000 Euro Steuern und Rentenbeiträge zahlen", sagte der Präsident des Rechtsanwälteverbandes, Vasilis Alexandris, im griechischen Rundfunk.
Die Landwirte setzten am Dienstag den fünften Tag in Folge ihre Proteste fort. An mehreren Stellen sperrten sie vorübergehend wichtige Straßenverbindungen. Auch einige Grenzübergänge nach Bulgarien und Mazedonien sowie zur Türkei wurden vorübergehend gesperrt. Am Grenzübergang zu Bulgarien bei Promachon kam es zu Rangeleien mit Lastwagenfahrern, die nach Bulgarien weiterfahren wollten, wie das Fernsehen zeigte. Am Mittwoch und Donnerstag sollen auch die Wochenmärkte bestreikt werden.
Beunruhigt durch die Proteste lud Regierungschef Alexis Tsipras Vertreter der Bauernverbände zu einem direkten Dialog ein. Bislang weigern sich die Gewerkschaftler, mit Tsipras zu sprechen. Zuerst soll er das ganze Reformgesetz zurücknehmen. Die Gespräche könnten dann vom "Punkt Null" (als hätte es das Gesetz gar nicht gegeben) wieder beginnen. Am 4. Februar soll es dann zu landesweiten Streiks kommen. Dazu haben die größten Gewerkschaften des staatlichen und privaten Sektors aufgerufen.
dpa//sr - Bild: Louisa Gouliamaki/AFP