Unter dem Motto «Zur Verteidigung Deiner Freiheit» sind Zehntausende Polen am Samstag gegen die Politik der nationalkonservativen Regierung auf die Straße gegangen. Das «Komitee zur Verteidigung der Demokratie» (KOD), das seit Wochen landesweite Proteste organisiert, hatte zu Kundgebungen in 36 Städten aufgerufen.
«Wir sind keine Revolutionäre», betonte KOD-Gründer Mateusz Kijowski auf der Demonstration vor der Warschauer Regierungskanzlei. «Revolutionäre wollen zerstören, wir wollen die Demokratie und die Freiheit in Polen bewahren.»
Ein Vertreter der ungarischen Oppositionsbewegung forderte die Demonstranten zum Kampf gegen ein «zweites Budapest in Warschau» auf. Sechs Jahre der nationalkonservativen Regierung von Viktor Orban hätten seinem Land Abbau der Demokratie, steigende Armut und Schrumpfung der Mittelklasse gebracht.
Nach einer Reform des Verfassungsgerichts, einem Mediengesetz, das der Regierung die Entscheidung über Führungspositionen in den öffentlichen Medien gibt, und angesichts der geplanten Zusammenführung der Ämter des Justizministers und Generalstaatsanwalts fürchten Regierungsgegner eine Aushöhlung des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung.
Die Nationalkonservativen regieren seit Mitte November mit absoluter Mehrheit im Warschauer Parlament. Während der Proteste am Samstag stand vor allem das neue Polizeigesetz im Mittelpunkt, das weitgehende Möglichkeiten der Datenerfassung gibt. «Nein zum Überwachungsstaat» hieß es auf Transparenten. «Achtung: Der kleine Bruder beobachtet», stand auf anderen mit dem Bild des nationalkonservativen Parteichefs Jaroslaw Kaczynski.
Regierungschefin Beata Szydlo wurde nach ihrem Auftritt bei der Polen-Debatte im Europaparlament als «Beata die Lügnerin» dargestellt. In mehreren Städten organisierten Anhänger der Nationalkonservativen Gegenkundgebungen oder posteten in sozialen Medien Bilder, auf denen die KOD-Demonstranten als Marionetten der EU dargestellt wurden.
Unterstützung für KOD gab es dagegen in mehreren europäischen Städten. Im Brüsseler Europaviertel beteiligten sich gegen Mittag rund hundert Polen an einer Kundgebung. Auch in den USA und im australischen Melbourne war zu Kundgebungen aufgerufen worden.
Alte Bürgerrechtler und neue Mediengeneration sind im Protest geeint
Der frühere polnische Präsident Walesa hat der nationalkonservativen Regierung in Warschau vorgeworfen, das Land zu ruinieren. Der ehemalige "Solidarnosc"-Chef sagte im polnischen Fernsehen, man habe hart gearbeitet, um die Freiheit zu erreichen. Nun sei die Regierung mit ihren Justiz- und Medienreformen dabei, alles wieder zu vergeuden. «Wir haben so hart gearbeitet, wir haben unsere Freiheit so schwer erkämpft, und nun verspielen wir sie», klagte Walesa.
Der Friedensnobelpreisträger kritisierte in diesem Zusammenhang vor allem Regierungschefin Szydlo. «Sie glauben, dass sie uns betrügen können, aber das klappt nicht», schimpfte er. Walesa spricht sich für ein Referendum über die Reformen der Warschauer Regierung aus.
Noch will er abwarten. Aber einen letzten Kampf will der einstige Solidarnosc-Führer nicht ausschließen: «Wenn ein Walesa gebraucht wird, dann stehe ich auf der Kundgebung.»
dpa/rkr/jp - Bild: Wojtek Radwanski (afp)