Das Krisenland Haiti hat nach Volksprotesten und Boykottdrohungen die Präsidenten-Stichwahl zum zweiten Mal innerhalb eines Monats absagen müssen. Der Provisorische Wahlrat CEP verschob die für diesen Sonntag geplante Abstimmung auf unbestimmte Zeit, wie örtliche Medien am Freitag berichteten.
Die Behörden verwiesen demnach auf die kritische Lage wegen der seit Tagen anhaltenden Proteste in dem verarmten Karibikstaat. Seit Monaten wird die Wahl um das Präsidentenamt von Betrugsvorwürfen überschattet. Bei Unruhen kam laut Medienberichten ein Mensch ums Leben.
Die Opposition wirft den Wahlbehörden Manipulation zugunsten des Regierungskandidaten Jovenel Moïse beim ersten Wahldurchgang Ende Oktober vor und weigert sich, den Urnengang anzuerkennen. Die Stichwahl war Ende Dezember schon einmal verschoben worden. Erst am Donnerstag hatte Staatschef Michel Martelly versichert, dass die Abstimmung trotz Boykottdrohungen aus der Opposition diesmal stattfinden werde. Das Land habe bereits Millionen für diese Wahl ausgegeben, sagte er laut Radio Metropole.
Wann die Stichwahl nun nachgeholt werden könnte, ist unklar. Martelly scheidet offiziell Anfang Februar nach fünf Jahren aus dem Amt. Anhänger der Opposition demonstrieren seit Tagen auf den Straßen gegen die Regierung und die Wahlbehörde CEP.
In der Hauptstadt Port-au-Prince kam es zu Ausschreitungen. Am Freitag forderten einem Bericht von Radio Metropole zufolge Tausende Menschen den Rücktritt von Staatschef Martelly. Im Stadtteil Pétion-Ville wurde demnach eine Person von einer aufgebrachten Menge zu Tode geprügelt. Der Oppositionskandidat in der Stichwahl, Jude Célestin, hatte zum Boykott der Abstimmung an diesem Sonntag aufgerufen. Célestin weigert sich, die Wahlergebnisse der ersten Wahlrunde vom 25. Oktober zu akzeptieren.
Nach den offiziellen Ergebnissen hatte der als Regierungskandidat angetretene Unternehmer Moïse damals die meisten Stimmen erhalten (32,8 Prozent). Moïse muss jedoch in einem zweiten Durchgang gegen Célestin antreten, der mit 25,2 Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz landete. Haiti, im Westteil der Karibikinsel Hispaniola gelegen, gilt als ärmstes Land Lateinamerikas.
Ein verheerendes Erdbeben im Januar 2010 verschlimmerte die Lage. Rund 230 000 Menschen kamen damals ums Leben, etwa 1,5 Millionen wurden obdachlos. 40 Prozent des Staatshaushalts werden aus dem Ausland finanziert. Trotz der Hilfe liegt die Wirtschaft des Landes seit Jahren am Boden.
dpa/est - Bild: Hector Retamal (afp)