Die Türkei und Griechenland sind auf der Suche nach einer Versöhnung nach dem Muster Frankreich-Deutschland. Aus einstigen Feinden sollen gute Freunde werden. Das zumindest hatten sich der griechische Regierungschef Giorgos Papandreou und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan auf die Fahnen geschrieben, als sie am Freitag und Samstag in Athen zusammenkamen. "Es war eine sehr schöne Atmosphäre", titelte am Sonntag die linksliberale Athener Zeitung "Eleftherotypia". Die türkische Presse sah es durchwegs optimistisch: "Neue Ära" oder "Historischer Moment" lautete der Tenor.
Ein neues Kapitel
Erdogan und Papandreou hatten sich alle Mühe gegeben, ein neues Kapitel aufzuschlagen. An der Spitze riesiger Delegationen von 19 Ministern und mehr als 300 Unternehmern führten sie intensive Gespräche über die Zukunft der Beziehungen zwischen ihren ehemals verfeindeten Staaten. "Die Ägäis wird ein Symbol des Friedens werden", zitierte die türkische Zeitung "Zaman" Erdogan in Athen. Ein Treffen solchen Umfangs hatte es in der Geschichte der beiden Nachbarstaaten noch nie gegeben.
Die Mühe war nicht umsonst: Athen und Ankara unterzeichneten 21 Kooperationsabkommen in den Bereichen Handel, Schifffahrt, Kultur, Bildung, Forschung, Energie, Bankwesen sowie Bekämpfung der illegalen Migration und des organisierten Verbrechens. Die großen Themen wie die Streitigkeiten um Hoheitsrechte in der Ägäis blieben allerdings auch diesmal ungelöst. "Sie wurden aber nicht nur angetastet sondern ganz doll angefasst", sagte ein türkischer Analyst. Beobachter hoben hervor, dass erstmals über die eigentlichen Probleme mit der jeweiligen Argumentation offen und vor der Presse gesprochen wurde. "Manche in Griechenland haben die Angst, dass die Türkei eine Insel der Ägäis besetzen könnte. Andere (in der Türkei) glauben, Griechenland könnte (von diesen Inseln aus) ihr Land angreifen. Das müssen wir zurücklassen", sagte der griechische Regierungschef.
"Berufsnationalisten"
Sein türkischer Kollege machte keinen Hehl daraus, wer die Annäherung nicht wünsche: "Es wird jedoch manche geben, die versuchen könnten, dem Annäherungsprozess Steine in den Weg zu legen." Viele ermüdete Teilnehmer des griechisch- türkischen Großtreffens fühlten sich in diesem Moment wie vom Blitz getroffen, als sie diese Sätze von Papandreou und Erdogan hörten. "Ich bin mir aber sicher, dass wenn wir Entschlossenheit zeigen, wir alle Hindernisse überwinden werden", sagte Erdogan offenbar mit Blick auf nationalistische Kreise in beiden Staaten, die die Annäherung bislang blockieren. Auf beiden Seiten der Ägäis gibt es sogenannte "Berufsnationalisten", die ihre "Arbeit" gefährdet sehen, sollten die Konflikte beigelegt werden.
Ob das türkisch-griechische Großtreffen in Athen sich gelohnt hat, wird sich in den kommenden Monaten und Jahren zeigen: Der sogenannte türkisch-griechische Höchste Kooperationsrat soll künftig regelmäßig tagen. Die Ministerpräsidenten wollen sich einmal im Jahr und ihre Außenminister zweimal jährlich treffen.
Die billigere Lösung
Athen und Ankara hoffen mit dieser spektakulären Intensivierung ihrer Kontakte Wege zu finden, abzurüsten und die zahlreichen Streitigkeiten um Hoheitsrechte in der Ägäis beizulegen. Das finanziell schwer angeschlagene Griechenland gibt seit mehr als 30 Jahren über vier Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Waffen aus. Die heutigen griechischen Schulden von 300 Milliarden Euro könnten um mehr als ein Drittel weniger sein, wenn das Land seit 1974 nicht ständig aufrüsten würde. Das gilt auch für die Türkei. Zudem hat Ankara in Athen den stärksten Befürworter eines Beitrittes in die Europäische Union (EU) gefunden. Der Beitritt einer demokratischen Türkei würde dem Süden Europas enorme Kraft geben, sich innerhalb der EU durchzusetzen. Zudem erörterten türkische und griechische Vertreter die Aussichten für eine Lösung der Zypernfrage. Erdogan meinte, das Problem könnte bis zum Jahresende gelöst werden.
"Ich sehe schon Schweißperlen auf der Stirn der Waffenindustrie-Bonzen, wenn wir (Türken und Griechen) uns verständigen und nicht mehr Waffen und Munition einkaufen", sagte ein griechischer Journalist der Deutschen Presse-Agentur dpa nach der Konferenz.
Takis Tsafos (dpa) - Bild: epa