Die Kölner Polizei gerät nach den Übergriffen eines Mobs auf Frauen in der Silvesternacht immer stärker unter Druck. Aus dem nun bekanntgewordenen Einsatzprotokoll eines leitenden Bundespolizisten geht hervor, dass sie frühzeitig über Ausmaß und Dramatik in der Kölner Silvesternacht informiert gewesen sein muss.
In einer Mitteilung hatte die Polizei die Stimmung am Morgen nach dem Chaos am Bahnhof dagegen als "friedlich" bezeichnet und erst zwei Tage später über die Übergriffe informiert. Der Bundespolizist will nach eigenen Angaben angesichts der angespannten Lage dagegen befürchtet haben, dass das "Chaos noch zu erheblichen Verletzungen wenn nicht sogar zu Toten führen würde".
16 Verdächtige
Auf der Suche nach Schuldigen für die Übergriffe kommt die Polizei nur langsam voran: Es seien inzwischen 16 Verdächtige ausfindig gemacht worden. "Wir prüfen nun, ob sie tatsächlich in Zusammenhang mit den Taten stehen", sagte ein Sprecher am Donnerstag. Bis zum Mittag wurden 121 Strafanzeigen gestellt. Bei etwa drei Viertel der angezeigten Taten hätten die Opfer angegeben, sexuell bedrängt worden zu sein. In 50 dieser Fälle seien die Frauen zudem bestohlen worden. Bislang wurden zwei Vergewaltigungen angezeigt.
Die meisten bisher ausfindig gemachten Verdächtigen seien noch nicht namentlich bekannt, aber auf Bild- oder Videoaufnahmen klar erkennbar, sagte der Polizeisprecher am Donnerstag. Einige Verdächtige, alle nordafrikanischer Herkunft, seien vorübergehend festgenommen worden, jedoch vor allem wegen Diebstählen, teilweise auch außerhalb von Köln.
Spießrutenlauf
In der Silvesternacht hatten sich am Kölner Hauptbahnhof aus einer Menge von rund 1000 Männern heraus kleinere Gruppen gelöst, die vor allem Frauen umzingelt, begrapscht und bestohlen haben sollen. Während der Ausschreitungen hätten Frauen Schutz bei der Polizei gesucht, heißt es im internen Einsatzbericht des Bundespolizisten, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag. Über die Zeit vor Mitternacht schreibt der Mann, der eine an dem Einsatz beteiligten Hundertschaft leitet, Frauen "mit Begleitung und ohne" hätten einen Spießrutenlauf erlebt "durch die stark alkoholisierten Männermassen, wie man es nicht beschreiben kann".
Viele weinende und schockierte Frauen und Mädchen hätten den Beamten von sexuellen Übergriffen berichtet. Auffällig sei die "sehr hohe Anzahl an Migranten innerhalb der polizeilichen Maßnahmen" gewesen. Da die Polizei "nicht jedem Opfer einer Straftat helfen und den Täter dingfest machen konnte, kamen die eingesetzten Beamten an die Grenze zur Frustration", heißt es zudem in dem Bericht. Der Polizist beklagt auch eine viel zu geringe Zahl eingesetzter Beamter. Alle eingesetzten Polizisten seien "ziemlich schnell an die Leistungsgrenze gekommen".
Wegen der zahlreichen Vorfälle hätten sich die Beamten "auf die Lagebereinigung mit den notwendigsten Maßnahmen" beschränkt. Aber: "Maßnahmen der Kräfte begegneten einer Respektlosigkeit, wie ich sie in 29 Dienstjahren noch nicht erlebt habe." Die Situation sei "chaotisch und beschämend" gewesen. Die Kölner Polizei wollte sich zunächst nicht zu dem Bericht des Bundespolizisten äußern.
In einem Interview mit der "Kölnischen Rundschau" sagte der heftig kritisierte Polizeipräsident Wolfgang Albers, er habe "im Verlauf des Neujahrsmorgens Kenntnis" von dem Einsatz erhalten. Es habe sich in der Silvesternacht eine Lage entwickelt, die "überraschend und so nicht vorhersehbar" gewesen sei. Außerdem seien die meisten Vorfälle für die Beamten wegen der Dunkelheit und des Gedränges nicht zu erkennen gewesen. Einen Rücktritt hatte Albers am Mittwoch bereits abgelehnt.
dpa/est/km - Bild: Oliver Berg/AFP