Die Wall Street wird menschlich - zumindest wenn es nach Hollywood-Regisseur Oliver Stone geht. In «Wall Street - Money Never Sleeps», der Fortsetzung des preisgekrönten Films aus den 80er Jahren, geht es zwar wieder um den skrupellosen Finanzmanager Gordon Gekko (Michael Douglas) und die Machenschaften der Großbanken, gleichzeitig stellt Stone aber Werte wie Loyalität und familiären Zusammenhalt in den Vordergrund.
Am Freitag präsentierte der Oscar-Preisträger den Finanzthriller bei den Filmfestspielen in Cannes, wo er außer Konkurrenz läuft. Damit reiht sich «Wall Street» thematisch in die bisher gezeigten Wettbewerbsfilme ein: In vielen ging es um den Verlust von Werten und fehlende menschliche Bindungen.
What's new, Gordon?
In «Wall Street 2» kommt der wegen Insiderhandels verurteilte Gekko nach acht Jahren aus dem Gefängnis. Allein steht er am Tor. Familie, die in abholt, hat er nicht. Seine Tochter Winnie (Carey Mulligan) hat sich längst von ihm abgewendet und will mit ihrem Freund Jake Moore (Shia LaBeouf) ein neues Leben beginnen. Ironischerweise ist Jake selbst Finanzmanager und fasziniert von Gordon Gekko.
Alte Wunden reißen auf: Gekko sinnt nach Rache und will wieder ganz oben mitmischen, Winnie hingegen kann ihrem Vater nicht verzeihen und hat sich für ein scheinbar völlig anderes Leben entschieden, in dem Geld keine Rolle spielen soll. Und Josh glaubt daran, auch an der Wall Street Gutes tun zu können. Dennoch ist er mittendrin, als 2008 die Finanzwelt zu kollabieren beginnt.
Finanzwelt mit Bypässen
«Es gibt eine enorme Ungleichheit und Ungerechtigkeit und das muss korrigiert werden», sagte der 63 Jahre alte Filmemacher mit Blick auf die derzeitige Finanzwelt. Aus der ersten Krise habe man nicht viel gelernt. «Sie war wie ein Herzinfarkt: Es gab einen dreifachen Bypass und ein Stunt wurde eingesetzt, aber ich glaube nicht, dass wir das Problem wirklich gelöst haben.»
Trotz der vermeintlichen Aktualität enttäuscht der Thriller. Schließlich erzählt er doch nichts wirklich Neues, sondern verlässt sich auf die Brisanz des Themas und scheint lediglich die Schlagzeilen der vergangenen Monate wiederzugeben. Wenn er seine Hauptfigur Gekko markige Sprüche wie «Früher war Gier nur gut, heute ist sie legal» postulieren lässt, wirkt das eher wie schlichte Effekthascherei, die schnell verpufft und dem Zuschauer keine neue Erkenntnis bringt. Auch der vermeintliche Blick hinter die Kulissen der Börse geht ins Leere und begnügt sich stattdessen, bekannte Klischees der skrupellosen Finanzhaie zu bestätigen.
Da hilft auch die Familiengeschichte nicht weiter, die Stone in den Thriller integriert. Irgendwann belügt zwar jeder jeden - teils mit besten Absichten - doch das von Stone gewählte Ende ist unglaubwürdig und mitunter sogar kitschig.
Auch Filme ohne Kitsch und Happy-End
Andere Wettbewerbsfilme in Cannes machten es sich nicht so leicht. Sie zeigten oft die bittere Realität ohne ein schmalziges Happy End. Der Held in Mathieu Amalrics «Tournée» beispielsweise scheitert bitter mit seinem beruflichen Neubeginn, in «The Housemaid» des Südkoreaners Im Sangsoo kämpft eine junge Frau gegen die Übergriffe ihrer reichen Arbeitgeber und der Chinese Wang Xiaoshuai erzählt in «Chongqing Blues» von einem Mann, der sich sein Scheitern als Vater eingestehen muss.
Aliki Nassoufis und Britta Schmeis (dpa) - Bild: epa