Millionen Menschen tragen sie in der Brieftasche mit sich herum: Auf jeder Euro-Münze ist der für die Europaflagge so typische Sternenkranz geprägt. Doch warum sind es ausgerechnet zwölf Sterne? Vielleicht für die Anzahl Mitgliedsstaaten, die die Europäische Union einmal hatte? Falsch! Schon 1955 hieß es: "Die Zahl der Sterne ist auf zwölf festgesetzt. Die Zahl versinnbildlicht die Vollkommenheit und die Vollständigkeit." Das gilt also noch heute …
"Zwölf ist einfach eine perfekte Zahl", sagte der im Jahr 2002 verstorbene Paul Lévy. Der Belgier stand in den 1950er Jahren an der Spitze des Auswahlkomitees für die europäische Flagge. Die Zahl stehe symbolhaft für die Anzahl Stunden auf dem Ziffernblatt, für die Monate des Jahres, für die Anzahl Apostel, für die zwölf Sternzeichen …
Aber: Erst 1986 wurde der gelbe Sternenkranz auf azurblauem Hintergrund zum Symbol der europäischen Institutionen. Schon lange davor - nämlich seit dem 8. Dezember 1955 - war die Flagge das Erkennungszeichen des Europarats. Jener Einrichtung, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs für den Schutz von Demokratie und Menschenrechten in Europa eintritt. Ganz ohne Kuhhandel hatte man sich aber nicht auf die "perfekte" zwölf einigen können. Da waren die Geschicke des belgischen Kompromissmachers gefragt, erinnert sich Paul Lévy.
"15 Sterne konnten die Deutschen damals nicht akzeptieren - wegen der Sonderrolle des Saarlands. Aus demselben Grund kamen 14 Sterne für die Franzosen nicht in Frage. Einen Kranz aus 13 Sternen wollten die Italiener nicht - das hätte Unglück gebracht", erklärte Lévy. Deswegen sei man schließlich auf seinen Vorschlag eingegangen: Zwölf als Symbol für die Vollkommenheit.
Dass es zur Einheit Europas aber mehr als nur ein Symbol braucht, zeigt sich derzeit vielerorts in der EU. Marine Le Pen in Frankreich würde die Flagge am liebsten zerreißen, auch die Briten wollen sie loswerden. Linksextreme in Griechenland haben sie bereits öffentlich verbrannt.
Und die neue polnische Regierungschefin Beata Szydlo, umstritten wegen ihrer Haltung in der Flüchtlingskrise, hat sie jetzt abhängen lassen. Bei Pressekonferenzen ihres Kabinetts in Warschau sind nur noch die weiß-roten Fahnen Polens zugelassen. Nur wenige Monate zuvor waren einige Flüchtlinge mit wehender EU-Flagge über die Grenze nach Deutschland gekommen - in der Hoffnung auf Frieden.
Seit 60 Jahren weht die Flagge nun schon. Und fragt sich dabei sicher auch, ob sie ihre besten Tage nicht schon hinter sich hat.
Alain Kniebs - Bild: Jens Kalaene (afp)