Der polnische Ministerpräsident Tusk ist in Aachen mit dem Karlspreis ausgezeichnet worden. Er wurde für seine Verdienste um Europa geehrt.
Im Vergleich zu den Vorjahren fand die Preisverleihung in einem etwas kleineren Rahmen statt. So hat Tusk auf einen Meinungsaustausch mit Aachener Studenten verzichtet.
Auch das Bad in der Menge fand nicht statt - aus Respekt vor den Opfern des Flugzeugunglücks von Smolensk. Dabei waren Anfang April der polnische Staatspräsident Kaczynski sowie zahlreiche Angehörige der politischen Elite des Landes ums Leben gekommen.
Krise als Chance
Deutschland und Polen haben die ernsthafte Schuldenkrise Europas bei der Karlspreisverleihung als eine Chance bezeichnet. Die Situation biete die Möglichkeit zur Stärkung und Weiterentwicklung der Gemeinschaft, sagten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Polens Regierungschef in Aachen.
Tusk wurde als «Patriot und großer Europäer» mit dem Karlspreis gewürdigt. Der 53-Jährige sei ein herausragender Streiter für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, stellte das Karlspreis-Direktorium fest. Der insgesamt dritte polnische Preisträger stehe für ein demokratisches und weltoffenes Polen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte die dringende Notwendigkeit einer stärkeren finanz- und wirtschaftspolitischen Verzahnung Europas. Seit der Verabschiedung des Maastricht-Vertrages sei die EU größer geworden, «aber die innere Verfasstheit hat nicht Schritt gehalten», sagte Merkel. «Wir müssen die Krise zum Anlass nehmen, die Versäumnisse nachzuholen, die auch nicht durch den Lissabon-Vertrag behoben wurden», betonte die Bundeskanzlerin. Die Krise um die Zukunft des Euro sei existenziell.
Mit der Schuldenkrise beginne nicht die Dämmerung Europas, widersprach Tusk Skeptikern. «Ich sehe die Krise paradoxerweise als Chance, um Europa zu stärken und weiterzuentwickeln», sagte er in seiner Dankesrede. «Die Stunde Europas schlägt und die Überwindung der Krise wird der beste Beweis sein», sagte Tusk. Der Aachener Oberbürgermeister Marcel Philipp würdigte den polnischen Premierminister bei der Karlspreisverleihung als europäische Leitfigur.
Die Solidarnosc-Generation
Seinen Preis widmete er der «Solidarnosc-Generation» und den 96 Menschen, die mit dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynskis am 10. April bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen. Als Zeichen des «tiefen Respekts» und Mitgefühls «mit unseren polnischen Freunden» wurden zum ersten Mal in der Geschichte des Karlspreises zwei Nationalhymnen gesungen - die polnische und die deutsche.
In seiner sehr persönlichen Dankesrede schilderte Tusk sein Erleben der ersten Arbeiterproteste in Danzig und die Anfänge der polnischen Arbeiterbewegung Solidarnosc 1980, die ihn sehr prägten. Die Ereignisse seien Bestandteil der kollektiven Biografie einer Generation, die diese große Volksbewegung mitbegründet habe. Diese Bewegung habe den Niedergang des Kommunismus ausgelöst, sagte Tusk. Polen sei sich seiner europäischen Wurzeln immer bewusst gewesen.
Festschrift zum 60-jährigen Jubiläum
Unter dem Titel "60 Jahre Karlspreis - ein Beitrag zur europäischen Vollendung" wurde in Aachen eine entsprechende Festschrift vorgestellt. Auf 147 Seiten kommen europäische Persönlichkeiten, Preisträger, Freunde und Wegbegleiter des Karlspreises zu Wort. Es soll ein Rückblick und ein zukunftsweisendes Werk sein.
brf/pkn/dpa - Bild: epa