Mit einer koordinierten Anti-Terror-Kampagne antworten die großen Industrie- und Schwellenländer auf die blutigen Anschläge von Paris. In seltener Einigkeit beschlossen die Staats- und Regierungschefs am Montag auf dem G20-Gipfel im türkischen Küstenort Belek nahe Antalya ein ganzes Paket mit konkreten Maßnahmen. Dem internationalen Terrorismus soll der Geldhahn zugedreht werden. Grenzen und Flughäfen werden strenger überwacht, um die Bewegungsfreiheit von Extremisten einzuschränken. Die Geheimdienste wollen enger zusammenarbeiten und Informationen austauschen.
Der zweitägige Gipfel endete mit der Verpflichtung der G20-Staaten, mehr zur Bewältigung der Flüchtlingskrise zu tun. Sie sagten zu, die vor Bürgerkrieg und Terror flüchtenden Menschen stärker schützen und unterstützen zu wollen. Alle Staaten werden aufgerufen, "die Verantwortung zu teilen". Genannt werden dabei unter anderem die Aufnahme von Flüchtlingen und humanitäre Hilfe. Flüchtlinge sollen Zugang zu Dienstleistungen, Bildung und Möglichkeiten bekommen, sich eine Lebensgrundlage zu schaffen.
Deutschland setzt auf eine Einigung der Europäischen Union und dem Haupttransitland Türkei auf Kontingente von Flüchtlingen, die in der EU verteilt werden müssten. Dann dürfe es aber nicht weiter zu illegaler Migration kommen, sagte Bundeskanzlerin Merkel. Für den 4. Februar kündigte Merkel eine Syrien-Flüchtlingskonferenz in London an. Dabei solle es um humanitäre Hilfe und Unterstützung für Länder gehen, die Schutzsuchende aufgenommen hätten. Es solle auch darüber gesprochen werden, wie Flüchtlingen möglichst schnell die Möglichkeit bekommen können, wieder nach Hause zurückzukehren.
Nach den blutigen Anschlägen in Paris sagten die G20 dem Terrorismus in einer eigenen Erklärung zum Gipfelende den Kampf an. Die Zusammenarbeit zur Austrocknung der Finanzkanäle von Terroristen soll ausgebaut werden. Um den Strom von Extremisten einzudämmen, die nach Ausbildung und Kampf in Bürgerkriegsländern in ihre Heimat zurückkehren und eine Terrorgefahr darstellen, werden die Grenzen besser kontrolliert. Die Sicherheit im Flugverkehr wird verstärkt. Gegen Terrorpropaganda auch im Internet wird stärker vorgegangen.
Die Möglichkeiten für den Friedensprozess in Syrien standen im Mittelpunkt der Gespräche mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Zwischen Russland und dem Westen gebe es weiter eine "tiefe Kluft" über Syrien, doch gebe es Zeichen für eine wachsende Kompromissbereitschaft, sagte der britische Premier David Cameron. Differenzen gehe es vor allem über die Zukunft von Machthaber Baschar al-Assad. Cameron forderte Putin auf, die Luftangriffe in Syrien klar gegen den Islamischen Staat zu richten. Der Westen wirft Russland vor, eher die Rebellen zu treffen und das Assad-Regime zu stützen.
Besorgt äußern sich die G20-Führer in der Abschlusserklärung über das langsame und "unausgewogene" Wachstum der Weltwirtschaft. Die G20-Staaten gaben den Startschuss für ein Programm, das der Steuervermeidung großer Konzerne einen Riegel vorschieben soll. Die Mindereinnahmen durch Aushöhlung von Besteuerungsgrundlagen und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting - BEPS) werden auf 4 bis 10 Prozent der weltweiten Einnahmen aus Körperschaftsteuern geschätzt. Das wären jährlich 100 bis 240 Milliarden US-Dollar.
Die Firmen sollen dort Steuern zahlen, wo wirtschaftliche Tätigkeit stattfindet, Investitionen getätigt werden und Gewinne anfallen - und nicht mehr so leicht Profite in Steueroasen verschieben können. Die Steuerbehörden verschiedener Länder sollen verstärkt Daten austauschen. Entwicklungsorganisationen begrüßten das Vorhaben, das ihnen aber nicht weit genug geht. So seien die Daten nicht öffentlich. Auch hätten Entwicklungsländer nicht genug Zugang. Ende nächsten Jahres übernimmt Deutschland die G20-Präsidentschaft von China und wird im Bundestagswahljahr 2017 den Gipfel ausrichten.
Kein Durchbruch in Klimafragen
Die führenden Industrie- und Entwicklungsländer wollen einen Erfolg der Weltklimakonferenz in zwei Wochen in Paris, haben den Verhandlungen aber wenig neuen Schwung gegeben. Nach langem Ringen bis zur letzten Minute klammerte die Abschlusserklärung des G20-Gipfels die heiklen Punkte einfach aus.
Weder ein Überprüfungsmechanismus, der weitere Einschnitte bei den Treibhausgasen in Zukunft möglich machen soll, noch der unzureichend gefüllte Klimafonds für ärmere Länder werden ausdrücklich erwähnt. "Sie packen die wichtigsten Fragen nicht an", reagierte Klimaexpertin Kiri Hanks von der Entwicklungsorganisation Oxfam enttäuscht.
Die G20 suchen ein "gerechtes, ausgewogenes, dauerhaftes und dynamisches" Abkommen in Paris, heißt es im Kommuniqué. Das schließt nach Einschätzung von Beobachtern höchstens indirekt die Möglichkeit für dringend notwendige weitere Verringerungen in Zukunft ein. Wie aus EU-Kreisen verlautete, gab es vor allem Widerstand aus Indien und Saudi-Arabien, die den Verhandlungen in Paris nicht vorgreifen wollten.
"Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit", stellen die G20 in dem Dokument fest. Sie fordern "wirksames, energisches und kollektives Handeln". Die Staats- und Regierungschefs bekräftigen das langfristige Ziel, die Erderwärmung unter die gefährlichen zwei Grad zu bringen, und begrüßen bisherige Zusagen.
Allerdings reichen die bislang eingereichten Länderpläne bei weitem nicht aus, um unter zwei Grad zu kommen. Auch machen viele Entwicklungsländern ihre Pläne von finanziellen Zusagen abhängig. Der Weltklimafonds soll ärmeren Ländern jährlich 100 Milliarden Dollar für die Anpassung an den Klimawandel bereitstellen.
Bisher wurden 62 Milliarden Dollar öffentliche und private Mittel zugesagt. Deutschland verspricht bis zu 4,5 Milliarden Dollar. "Wie können die reichen Länder von den Entwicklungsländern mehr Ehrgeiz erwarten, wenn es keine Finanzmittel gibt, dafür zu bezahlen", sagte Oxfam-Expertin Hanks.
Vor dem Treffen in Belek gab es große Erwartungen, dass die Verhandlungen in Paris durch die G20 zusätzlich Schwung bekommen könnten. Was Klimaschutz angeht, genießen die G20 aber ohnehin wenig Glaubwürdigkeit. Keine anderen Gipfelversprechen werden so häufig gebrochen wie die Zusagen im Kampf gegen die Erderwärmung, stellte die G20-Forschungsgruppe der Universität Toronto fest.
Nur gut die Hälfte der G20-Mitglieder habe die bereits im vergangenen Jahr im australischen Brisbane gemachten Versprechen zum Klimaschutz erfüllt, berichteten die Experten in einer Studie. Wenn es um die vor sieben Jahren schon zugesagte Abschaffung von Subventionen für fossile Energien geht, sind es sogar nur 28 Prozent.
dpa/okr - Bild: Ozan Kose (afp)