Der Präsident des Europaparlamentes, Martin Schulz, und der griechische Regierungschef Alexis Tsipras haben sich am Mittwoch ein Bild von der dramatischen Lage der Flüchtlinge auf der Insel Lesbos gemacht. Unmittelbar nach ihrer Ankunft traf ein Boot voller Flüchtlinge aus der Türkei an einem Strand vor dem Hauptort Mytilini ein. Schulz und Tsipras hätten das genau beobachten können, berichteten Augenzeugen.
Aus Protest gegen das Flüchtlingsdrama in der Ägäis mit Hunderten Toten hatten Demonstranten das Rathaus von Mytilini besetzt. "Die Ägäis ist voll mit Leichen von Flüchtlingen", hieß es auf einem vom Balkon des Rathauses gehängten Transparent, wie Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur sagten. Die griechische Presse zeigte Bilder von der Besetzung.
Schulz und Tsipras besuchten anschließend das Registrierzentrum der Insel. Dort hatten sich Dutzende Demonstranten versammelt, die die Öffnung der Landesgrenze zwischen Griechenland und der Türkei am Fluss Evros (türkisch: Meriç) forderten, damit die Flüchtlinge nicht in den Meeresengen zwischen der Türkei und den griechischen Inseln ums Leben kommen.
Flüchtlingskind stirbt vor Kos
Die griechische Küstenwache barg in der Nacht zum Donnerstag 14 Menschen aus den Fluten vor der Insel Kos. Für ein Flüchtlingskind kam jedoch jede Hilfe zu spät. Ein weiteres Kind werde vermisst, teilte die Küstenwache mit. Das Flüchtlingsboot war wenige hundert Meter vor der Küste wegen starken Seegangs gekentert.
Die Stimmung auf der Insel ist seit Anfang der Woche zusätzlich wegen eines Streiks der Seeleute äußerst angespannt: Mehr als 25.000 Flüchtlinge sitzen auf Inseln der Ostägais fest, weil keine Fähren zum Festland fahren. Allein auf Lesbos sollen nach Schätzungen 15.000 Menschen im Hafen von Mytilini auf ein Schiff warten. Auf Samos hat das Militär die Verpflegung von 5000 Gestrandeten übernommen, weil die Kommunalverwaltung die Versorgung nicht mehr gewährleisten kann.
Es kommt nach Augenzeugenberichten immer wieder zu Protesten. Die Migranten skandieren "Athen, Athen!" und wollen sofort zum Festland gebracht werden.
dpa/rkr/sr - Bild: Aris Messinis (afp)