Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat mit ihren Ermittlungsverfahren im Abgas-Skandal mindestens fünf VW-Mitarbeiter im Fokus. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus sicheren Quellen. Einer der Informationsgeber sprach von sechs Beschuldigten. Ein Sprecher der Anklagebehörde wollte sich auf Anfrage nicht äußern und verwies darauf, dass er zur Zahl der Beschuldigten gegebenenfalls in den nächsten Tagen mehr sagen könne.
Der dpa liegen aus dem Kreise der Beschuldigten vier Namen vor, die die Agentur aus juristischen Gründen nicht öffentlich nennt. Die Vorwürfe der Ermittler kreisen um Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006. Damals waren drei der vier Männer Führungskräfte der Abteilung für Aggregate-Entwicklung, wozu Motoren und Abgassysteme gehören. Zwei von ihnen sind inzwischen Rentner. Der vierte der dpa namentlich bekannte Verdächtige ist Softwareentwickler und soll, so lautet der Vorwurf, das geheime Manipulationsprogramm geschrieben haben.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Männer, da sie nach einem anfänglichen Verdacht inzwischen auch konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass sie in Straftaten verwickelt sein könnten. Details wollen die Ermittler nicht nennen.
Als Straftatbestände kommen bisher vor allem Betrug und unlauterer Wettbewerb in Betracht. "Tendenziell werden es mehr als weniger Beschuldigte, je tiefer wir graben", hatte ein Sprecher der Behörde am vergangenen Dienstag gesagt. Anfang Oktober hatten Ermittler bei einer Razzia in der Wolfsburger Konzernzentrale viele Daten gesichert. VW hatte rund drei Wochen vor dieser Aktion eingeräumt, mit einem Computerprogramm Diesel-Abgaswerte manipuliert zu haben.
Bei der Auswertung der Daten hilft das Landeskriminalamt der Staatsanwaltschaft inzwischen mit einer Sonderkommission. Das Verfahren soll sich mindestens noch bis ins nächste Jahr ziehen.
VW-Aufsichtsrat Stephan Weil warf dem kriselnden Autobauer derweil eine rückständige Kritikkultur vorgeworfen. Es herrsche Nachholbedarf bei den Vorstellungen von Führung, Eigenverantwortlichkeit und Teamwork, sagte Niedersachsens Ministerpräsident der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag).
Die Affäre um die weltweit elf Millionen manipulierten Diesel aus dem VW-Konzern war zuerst in den USA aufgedeckt worden, dem hinter China weltgrößten Automarkt. VW setzt trotz der Affäre weiter auf das wichtige Land. Der Konzern wolle wie geplant insgesamt 900 Millionen Dollar (820 Millionen Euro) in einen mittelgroßen Stadtgeländewagen (SUV) für den amerikanischen Markt investieren, teilte VW mit.
Auch vor der Affäre waren die USA für den Konzern ein schwieriges Pflaster. Vor 2007 hat der Konzern jahrelang Verluste in Nordamerika eingefahren, seitdem veröffentlicht VW keine Ergebnisse mehr für Nordamerika. Betriebsratschef Bernd Osterloh hatte das US-Geschäft im vergangenen Jahr als "Katastrophenveranstaltung" bezeichnet.
Von Heiko Lossie, dpa/okr - Bild: Dirk Waem (belga)