Versteinerte Mienen, aufgeregte Telefonate, ein Hauch von Panik - der Brüsseler Sondergipfel der Euro-Länder zu Griechenland geriet zu einem nächtlichen Drama. Es ging im klotzigen Ministerratsgebäude nicht mehr allein um die Rettung eines pleitebedrohten Landes, sondern um die Verteidigung des angeschlagenen Euro - und das mit allen Mitteln.
«Die Eurozone durchlebt die schlimmste Krise seit ihrer Gründung», lautet das ebenso knappe wie eindringliche Resümee des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy zu früher Morgenstunde. Spekulationen, er habe sich mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel gestritten, wischt der Herr des Elyséepalastes beiseite - Unsinn. «Europa braucht die deutsch-französische Achse, mit absoluter Entschlossenheit und Stabilität», lautet das Credo, das ihm leicht über die Lippen geht.
Zeitdruck
Vor dem düsteren Hintergrund abstürzender Börsen gerieten die Staats- und Regierungschefs in gefährlichen Zeitdruck. Denn noch vor Öffnung der Finanzmärkte am Montag musste Europa ein Signal setzen, um die Spekulation gegen die Gemeinschaftswährung zu stoppen. Über das Wochenende soll nun in einem beispiellosen Eilverfahren ein Hilfsmechanismus aus der Taufe gehoben werden, der im Notfall klamme Mitgliedstaaten stützen soll. Die Botschaft an die Märkte lautet: Die EU ist solidarisch und lässt schwache Mitglieder nicht fallen.
Angriff auf den Euro
Gefahr war offensichtlich im Verzug. Denn die Finanzmärkte begannen, sich auf schwache Euro-Mitglieder wie Spanien oder Portugal einzuschießen. Der nicht zu Übertreibungen neigende Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Jean-Claude Juncker, griff zu ungewöhnlich drastischen Formulierungen: Er diagnostizierte eine «weltweit organisierte Attacke gegen den Euro», man müsse geeint gegen diese «Angriffe» vorgehen.
An diesem Sonntag sollen die EU-Finanzminister bei einem Krisentreffen über den Hilfsmechanismus entscheiden. Es sitzen auch die Länder mit am Tisch, die den Euro bisher nicht haben. Drei von ihnen - Rumänien, Lettland und Ungarn - profitieren bereits von milliardenschweren Nothilfen aus einer Notkreditlinie der EU-Kommission. Weil das «Herauskaufen» von Euro-Staaten laut EU-Vertrag verboten ist, konnte der 50 Milliarden Euro schwere «Fonds» Schuldensünder Griechenland nicht helfen.
Alle Mittel ausschöpfen
Die Erfinder des neuen Rettungssystems berufen sich auf den Artikel 122 des Vertrags, wonach ein bedrohter Mitgliedstaat finanziell gestützt werden kann. In Krisenzeiten sind unkonventionelle und rasche Lösungen gefragt. In der Schlusserklärung der «Chefs» ist auch zu lesen, dass «alle Institutionen des Euro-Währungsgebiets», also auch die Europäische Zentralbank, «alle Mittel» ausschöpfen wollen, um das Eurogebiet stabil zu halten. Wo ist da die in Deutschland häufig beschworene Unabhängigkeit der Notenbank, fragen sich Beobachter.
Weitere Vorhaben in der Euro-Krise: Strikter Sparkurs für alle Länder, strengere Regeln für Finanzmärkte und eine Eindämmung der Spekulation gegen staatliche Schuldner.
Christian Böhmer (dpa) - Bild: epa