Gegen den Widerstand von Ungarn, Rumänien, Tschechien und der Slowakei haben die EU-Innenminister eine Verteilung von 120.000 Flüchtlingen in Europa beschlossen. Damit wurde am Dienstag überraschend eine wichtige Entscheidung in der europäischen Asylpolitik nicht im Konsens aller Staaten getroffen. Belgien wird 4.500 dieser 120.000 Flüchtlinge aufnehmen.
Der slowakische Regierungschef Robert Fico kündigte noch am Abend einen Konfrontationskurs gegen die EU-Partner an: «Lieber gehe ich in ein Strafverfahren gegen die Slowakei als dass ich dieses Diktat respektiere», sagte er in einer Parlamentsrede in Bratislava. Heftig kritisierte er die Entscheidungsfindung: «Es ist noch nie vorgekommen, dass Meinungen, für die Länder rationale Argumente hatten, (...) von einer Mehrheit einfach niedergewalzt wurden, nur weil sie nicht fähig war, einen Konsens zu finden.»
Auch Tschechien kritisierte die Entscheidung scharf, Innenminister Milan Chovanec sprach von einer «leeren Geste». Polen, das ebenfalls Bedenken gegen die Verteilung hatte, stimmt dann aber doch für das Vorhaben.
Ungarn als einer der entschiedensten Gegner muss ebenfalls mitmachen. «Auch Ungarn muss Migranten annehmen», sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Sein Land führt derzeit den Vorsitz der EU-Staaten, deshalb leitete er das Treffen. Den ursprünglichen Vorschlag, der zu einer Entlastung für Ungarn geführt hätte, hatte die Budapester Regierung abgelehnt. Dem Land sollen nun nach Angaben von Diplomaten ungefähr 2.350 Personen zunächst aus Italien und Griechenland zugeteilt werden.
Mit Spannung wird nun der Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs an diesem Mittwoch in Brüssel erwartet. Bei dem Treffen soll es nach dem Willen von Gipfelchef Donald Tusk vor allem um den besseren Schutz der EU-Außengrenzen und eine Stabilisierung der Lage in Kriegs- und Krisengebieten gehen.
Die Entscheidung der EU-Innenminister dürfte jedoch für Zündstoff sorgen. Die Verteilung der 120.000 Migranten, die zunächst Griechenland und Italien entlasten soll, hatte zu schwerem Streit unter den EU-Ländern geführt. Besonders die baltischen und mitteleuropäischen Staaten waren bis zuletzt dagegen.
Die Vereinten Nationen (UN) appellierten an Europa, angesichts von täglich vielen tausend neuen Migranten den politischen Willen für gemeinsame Lösungen aufzubringen. «Dies ist eine Krise des politischen Willens in Kombination mit einem Mangel an europäischer Einheit», erklärte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, in Genf.
dpa/jp - Bild: Michael Cizek (afp)