Nach der Ankunft Tausender Flüchtlinge hat Kroatien sieben Grenzübergänge zu Serbien geschlossen. Dabei handele es sich um eine vorläufige Maßnahme, teilte das kroatische Innenministerium am späten Donnerstagabend mit. Der Grenzübergang Bajakovo-Batrovci auf der Schnellstraße Belgrad-Zagreb war demnach von der Schließung ausgenommen.
Ungarn reagierte auf die neuen Flüchtlingsrouten in Südwesteuropa mit neuen Sondermaßnahmen. Die Regierung in Budapest rief für die südwestlichen Bezirke an der Grenze zum EU-Nachbarn Kroatien den sogenannten Masseneinwanderungskrisenfall aus. Dies ermächtigt die Behörden zu einem besonderen Vorgehen gegen Migranten. Ähnlich war Ungarn auch im Südosten des Landes vorgegangen. Seit der Abriegelung der dortigen Grenze zu Serbien versuchen immer mehr Flüchtlinge, über Kroatien und Slowenien nach Westeuropa zu gelangen. Ungarn hat nach Angaben von Ministerpräsident Viktor Orban inzwischen mit dem Bau eines Zauns auch an der Grenze zu Kroatien begonnen. Die ungarisch-serbische Grenze ist bereits abgeriegelt.
In Kroatien kamen in weniger als zwei Tagen mehr als 11.000 Menschen an. Slowenien kündigte die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an. Im Grenzbahnhof Dobova stoppte die slowakische Polizei am Donnerstagabend einen Zug mit 300 Menschen. Die Hälfte von ihnen hatte slowenischen Angaben zufolge keine gültigen Papiere und wurde zurückgeschickt. Der Zugverkehr aus Kroatien wurde über Nacht eingestellt.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier reist wegen der Flüchtlingskrise am Freitag kurzfristig in die Türkei. Das Land hat rund zwei Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien aufgenommen, von denen nun viele nach Europa streben. Daher setzen die Bundesregierung und die EU auf mehr Unterstützung für solche Aufnahmestaaten, zu denen auch der Libanon oder Jordanien gehören. Das wird auf einem EU-Sondergipfel am kommenden Mittwoch voraussichtlich ebenso Thema sein wie die Rückkehr zu gemeinsamen europäischen Strategien angesichts der starken Zuwanderung.
Ein Hauptziel der Menschen, die vor Kriegen und Armut fliehen, ist Deutschland, das bei ihrer Aufnahme und Unterbringung zunehmend auf Probleme stößt. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, sprach sich daher für eine Begrenzung der Zuwanderung aus. "Wir sind offensichtlich nicht an der Grenze des Willens zu einer guten Willkommenskultur angekommen. Aber wir sind gegenwärtig sehr wohl an der Grenze, was die logistischen Kapazitäten angeht", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Freitag). Die Kapazitäten seien aber nicht beliebig und schnell ausbaubar. Jetzt gehe es vor allem darum, Flüchtlingsquartiere winterfest zu machen.
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrem Sondergipfel unter anderem über die Einrichtung der Flüchtlings-Hotspots in Griechenland und Italien beraten. Dort sollen die Schutzsuchenden registriert und anschließend auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden.
Kroatiens Regierungschef Zoran Milanovic kritisierte Griechenlands Vorgehen. "Ist das eine Art Rache Griechenlands an Deutschland und Europa?", sagte er laut übereinstimmenden Berichten mehrerer Medien in Zagreb mit Blick auf den Druck auf Athen in der Schuldenkrise. "Griechenland, die Grenze des Schengenraumes, erlaubt, dass tausende Menschen, deren Leben nicht bedroht ist, auf Booten auf ihre nahe gelegenen Inseln kommen", erklärte Milanovic und fügte hinzu: "Die Türkei ist doch ein sicheres Drittland."
US-Außenminister John Kerry fliegt heute nach London, um dort über die Lage in Syrien und die Flüchtlingskrise zu beraten. Bis Sonntag wird er bleiben und sich unter anderem mit seinem britischen Amtskollegen Philip Hammond austauschen.
Hollande und Renzi fordern vor Flüchtlingsgipfel konkretes Handeln
Frankreichs Präsident François Hollande und Italiens Regierungschef Matteo Renzi haben vor dem EU-Sondergipfel zur Flüchtlingskrise die Umsetzung konkreter Maßnahmen gefordert. "Kein Land kann diese Krise alleine bewältigen", sagte Hollande vor einem Arbeitsessen mit Renzi am Donnerstag in Modena. Bei dem Gipfel am nächsten Mittwoch müssten konkrete Entscheidungen getroffen werden, sonst bedeute dies das Ende des Schengen-Abkommens. "Die Treffen sind entscheidend für das Schicksal Europas", mahnte Hollande.
Renzi und Hollande kündigten einen Drei-Punkte-Plan zur Bewältigung der Krise an. Demnach sollen sogenannte Hotspots in Italien, Ungarn und Griechenland eingerichtet werden, von wo aus Migranten mit Anspruch auf Asyl in andere europäische Länder verteilt werden sollen. Die Türkei solle zudem bei der Unterbringung syrischer Flüchtlinge unterstützt werden. Als dritten Punkt nannte Hollande die verstärkte Hilfe und Unterstützung für die Herkunftsländer.
"Europa wurde gegründet, um Mauern niederzureißen, nicht, um sie zu errichten", sagte Renzi. "Wenn einige Länder heute zur EU gehören, dann nur, weil jemand die Mauern eingerissen hat und diesen Menschen die Möglichkeit auf Einfluss, Freiheit und Zukunft gegeben hat", ergänzte er.
belga/dpa/jp - Bild Armend Nimani (afp)