In Japan ist es wegen einer umstrittenen Militärdoktrin der Regierung zu heftigen Tumulten im Parlament gekommen. Oppositionspolitiker lieferten sich am Donnerstag lautstarke Rangeleien mit Regierungsvertretern, um ein Inkraftsetzen neuer Sicherheitsgesetze im Oberhaus des Parlaments in letzter Minute zu blockieren.
Die rechtskonservative Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe will damit Japan ermöglichen, erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs Soldaten zu Kampfeinsätzen ins Ausland schicken zu können. Mit Hilfe von Misstrauensvoten, unter anderem gegen Verteidigungsminister Gen Nakatani, verzögerte die Opposition jedoch eine Abstimmung.
In historischer Abkehr von der Sicherheitspolitik der Nachkriegszeit hatte die Regierung Abe im Juli vergangenen Jahres die Neuinterpretation der Verfassung beschlossen, um Japan das Recht auf "kollektive Selbstverteidigung" zu geben - also in Konflikten an der Seite der USA kämpfen dürfen, selbst wenn es nicht direkt angegriffen wird. Japanische Soldaten beteiligten sich zwar auch schon bisher an internationalen Einsätzen, aber beschränkten sich dabei auf humanitäre und logistische Hilfe.
Oppositionspolitiker bezeichneten die Art und Weise, mit der Abe die neue Militärdoktrin durchs Parlament peitsche, als eine "Schande für das Land". Die Vorgehensweise der Regierung bedeute den "Tod der Demokratie in Japan". Begleitet wurden die Tumulte von andauernden Massenprotesten vor den Toren des Parlaments. Eine Mehrheit des Volkes lehnt die Gesetze ab. Japan drohe mit der neuen Militärdoktrin künftig in von den USA geführte militärische Konflikte verwickelt zu werden, so die Kritiker.
Bereits in der Vornacht hatten Oppositionspolitiker den Zugang zu Sitzungsräumen blockiert, um den Abstimmungsprozess zu blockieren. Die Regierung wollte die bereits vom mächtigen Unterhaus gebilligten Gesetzentwürfe auf jeden Fall noch vor dem Wochenende auch durch die zweite Kammer bringen. Dies kann sie notfalls durch eine zweite Abstimmung im Unterhaus erreichen.
Abe bezeichnete die neue Militärdoktrin als unvermeidliche Antwort auf die wachsende Militärmacht China und neue Gefahren, denen Japan ausgesetzt sei. So sind etwa die Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer ein andauernde Zankapfel zwischen China und Japan. Als weitere Gefahr betrachtet Japan das nordkoreanische Atom- und Raketenprogramm. Japans Regierung kommt mit der neuen Militärdoktrin außerdem Wünschen des Bündnispartners USA entgegen.
Die Militärreform stößt in der japanischen Bevölkerung jedoch auf breite Ablehnung. Der Pazifismus ist in dem fernöstlichen Land tief verwurzelt, viele Japaner identifizieren sich mit der nach 1945 von der Besatzungsmacht USA ausgearbeiteten Verfassung. In den vergangenen Tagen sind Zehntausende in Tokio und anderen Orten gegen die "Kriegsgesetze" auf die Straße gegangen. Sie werfen Abe vor, den Artikel 9 auszuhöhlen, der nach bisheriger Interpretation den Einsatz von Gewalt verbietet - Ausnahme ist Selbstverteidigung bei direktem Angriff auf Japan.
Von Lars Nicolaysen, dpa - Bild: Yoshikazu Tsuno/AFP