Das griechische Parlament hat das umstrittene Sparpaket gebilligt. Es soll das Land vor dem Bankrott retten und ist Voraussetzung für die Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Euroländer in Höhe von 110 Milliarden Euro. 172 Abgeordnete stimmten am frühen Donnerstagabend für das Sparprogramm, 121 votierten dagegen, drei enthielten sich.
Unterdessen formierten sich neue Proteste in Athen. Vor dem Parlament sammelten sich mehr als 3000 Demonstranten und riefen Parolen wie «Gebt uns unser Geld zurück» Richtung Parlamentsgebäude. Auch an zwei anderen Plätzen versammelten sich Demonstranten.
Am Mittwoch waren bei blutigen Ausschreitungen drei Menschen ums Leben gekommen, sie waren in einem von Randalierern angegriffenen Gebäude bei lebendigem Leibe verbrannt. Aus Furcht vor weiteren Krawallen forderte die Polizeidirektion von Athen fast 2500 zusätzliche Sicherheitskräfte aus den Provinzen an.
Griechenland am Tag danach
«Es ist schrecklich», sagt eine Frau, «immer wieder sehe ich diese Frau auf dem kleinen Balkon vor meinen Augen, die schwarz vom Ruß tot auf dem Boden liegt.» Im Fernsehen und in Internetblogs war am Donnerstag das Foto des Opfers zu sehen, das am Vortag in der Bank Marfin Egnatia nach einem Brandanschlag ums Leben gekommen war. Die Frau hatte trotz heftiger Rauchentwicklung offenbar doch noch einen kleinen Balkon erreicht. Doch es war zu spät. Sie starb dort an einer Rauchvergiftung. Gerichtsmediziner Filippos Koutsaftis sagte Reportern, die Todesangst war an den Körpern der drei Opfer «klar und dramatisch sichtbar». Viele Menschen legten noch in der Nacht und am Morgen Blumen vor der Bank nieder und zündeten Kerzen an.
Kaltblütiger Mord
Alle griechische Zeitungen veröffentlichen Bilder von verzweifelten Verwandten der unschuldigen Opfer. In dem Flammeninferno starben eine 32-jährige Frau, die schwanger war, eine 35 Jahre alte Kollegin und ein 36-jähriger Mann. Alle waren Angestellte der Bank im Zentrum Athens. «Kaltblütiger Mord» titelte die konservative Zeitung «Adesmeftos». Die ebenfalls Konservative «Eleftheros Typos» nahm die Polizei ins Visier: «Sie (die Polizisten) haben Athen den Mördern überlassen.»
Augenzeugen berichteten von einem «organisierten Anschlag». Zunächst habe sich aus der friedlichen Großdemonstration von mehr als 100.000 Menschen eine Gruppe Vermummter gelöst. Einer davon schlug mit einem Hammer die Scheiben der Bank ein, wie es hieß. Dann folgten mindestens drei Vermummte und warfen Brandflaschen in die Bank hinein. Dies ergebe sich aus den Aufnahmen von Überwachungskameras und den Aussagen der Augenzeugen, berichteten griechische Medien. «Ob Experten diese Vermummten irgendwann identifizieren werden, bleibt ungewiss», hieß es übereinstimmend.
Die Folgen
In jedem Fall markiert die blutige Eskalation der Proteste gegen die Sparmaßnahmen einen tiefen Einschnitt, eine Zäsur. «Es ist, als ob eine unbekümmerte und träumende Gesellschaft auf einmal erwacht ist», sagte ein Rentner in der Athener Vorstadt Moschato. «Fragt sich, ob wir auch erwachsener geworden sind und daraus Schlüsse ziehen.» Viel zu lange hätten die rund 1000 bis 2000 sogenannten Autonomen ihr Unwesen treiben können, immer wieder spielten sie Katz und Maus mit der Polizei. «Jetzt zahlen wir auch diesen Preis, der das Land ins Chaos stürzen kann», sagte der Rentner weiter.
In der Athener U-Bahn reden die Menschen an diesem Morgen mit gedämpften Stimmen. Immer wieder ist vor allem eine Frage zu hören: «Wie geht es jetzt weiter?» Ausländische Journalisten werden bestürmt: «Was wird mit der Hilfe? Was denken die Menschen im Ausland, die uns helfen wollen, und welche Konsequenzen wird das haben?» Einigen hundert Chaoten sei es gelungen, eine friedliche Kundgebung in ein Chaos ohnegleichen zu verwandeln.
Der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias sieht sein Land vor dem Abgrund. In einem dramatischen Appell wandte er sich noch am Abend der Tragödie an alle Griechen, verantwortungsvoll zu handeln. «Griechenland erstarrt - es ist die Stunde Null für Regierung, Politiker und Gesellschaft», titelte die regierungsnahe Athener Zeitung «To Vima».
Takis Tsafos (dpa) - Bild: epa